Folgen für Konjunktur

Durch Gasumlage zweistellige Inflation am Horizont

Konjunkturexperten kalkulieren die Folgen der Gasumlage für die Inflation. Außerdem sehen sie darin einen weiteren Schritt Richtung Rezession – aber auch das kleinere Übel.

Durch Gasumlage zweistellige Inflation am Horizont

rec Frankfurt

Die auf 2,419 Cent pro Kilowattstunde festgelegte Gasumlage schlägt sich in Prognosen von Konjunkturexperten nieder. Wenn sie wie geplant ab Oktober greift, wird dies der ohnehin hohen Inflation in Deutschland einen zusätzlichen Schub geben. Zeitweise sind sogar zweistellige Inflationsraten im Bereich des Möglichen. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft über den Herbst in eine Rezession abdriftet.

Seit Monaten liegt die Inflation um ein Vielfaches über dem mittelfristigen Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2%. Die EU-harmonisierte und für die EZB einschlägige HVPI-Rate liegt bei 8,5%. In nationaler Rechnung (VPI) ist die Inflation leicht abgeflaut auf 7,5%, was allerdings maßgeblich mit staatlich bezuschussten Rabattaktionen – dem 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn und dem Tankrabatt – zusammenhängt. Zugleich mehren sich Hinweise auf einen wirtschaftlichen Abschwung. Immer mehr Bankvolkswirte preisen deswegen eine Rezession in Deutschland ein (vgl. BZ vom 13. August).

„Mit der Gasumlage kommt die zweistellige Inflationsrate wieder in Reichweite“, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, der Börsen-Zeitung. Er sieht einen Konsumdämpfer und verweist darauf, dass eine Rezession für ihn schon lange eine ausgemachte Sache sei. „Die einzige Frage ist noch, wie schwer sie ausfallen wird.“ Der Düsseldorfer Ökonom und Regierungsberater Jens Südekum sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Zusammen mit dem auslaufenden Tankrabatt und dem Wegfall des 9-Euro-Tickets kann der Anstieg der Gaspreise zu zweistelligen Inflationsraten im Herbst führen.“

Groben Berechnungen zufolge ist zu erwarten, dass die Gasumlage die Inflationsrate um circa einen vollen Prozentpunkt erhöhen wird, womöglich etwas mehr. Das hängt nicht zuletzt davon ab, ob auf die Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig wird, was noch nicht klar ist. Maßgeblich ist auch, ob die Gasversorger die Umlage in voller Höhe und in der Breite an die Kunden weitergeben.

Falls es so kommt, „dürfte dies die Inflationsrate gegen Jahresende um knapp einen Prozentpunkt (0,9 Prozentpunkte) anheben“, kalkuliert Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Allerdings rechnet Kooths damit, dass die Preiserhöhungen „nicht schlagartig, sondern nach und nach eintreten“. Darauf verweisen auch die Ökonomen der Commerzbank um Chefvolkswirt Jörg Krämer. Sie überschlagen, dass die Inflation nach der momentanen Verschnaufpause ab September nochmals merklich anziehen wird. Bis Ende des Jahres dürfte sie Krämer zufolge „auf deutlich über 9% steigen“.

Debatte über Gaspreisdeckel

Mit dem nochmaligen Preisschub kommt auch der Vorschlag, Gaspreise zu deckeln, zurück auf den Tisch. Energischer Befürworter ist der Berliner Ökonom Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). In Ökonomenkreisen und in der Berliner Politik ist die Idee eines Preisdeckels umstritten. Schon vor Monaten, als die Gaspreise in der ersten Phase des Ukraine-Kriegs in die Höhe schossen, hat der Vorschlag zu Kontroversen geführt. Derzeit nimmt der Gaspreis nach zwischenzeitlichem Absacken wieder Kurs auf die Höchststände aus dem Frühjahr (siehe Grafik).

Wirtschaftsverbände und Ökonomen haben höhere Kosten für Unternehmen ebenso auf der Rechnung wie Kaufkraftverluste für Verbraucher. IfW-Experte Kooths zufolge kostet die Gasumlage Verbraucher im Gesamtjahr 2023 schätzungsweise 8 Mrd. Euro an Kaufkraft. „Die Größenordnungen sind gesamtwirtschaftlich bedeutsam, sie stellen aber auch keinen Konsum-Killer dar“, sagt Kooths. Die Gasumlage komme Gaskunden allemal weniger teuer zu stehen, als wenn ihre Versorger in die Insolvenz müssten, weil „die Kunden dann zu den viel höheren tagesaktuellen Preisen Neuverträge abschließen“ müssten. Damit signalisiert er, die Gasumlage sei das kleinere Übel.

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