PERSONEN

Eine Assekuranz-Ära geht zu Ende

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 29.9.2020 Karrieren wie diese sind heute selten. 33 Jahre hat Dr. Jörg von Fürstenwerth (66) für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gearbeitet und davon 25 Jahre als...

Eine Assekuranz-Ära geht zu Ende

Von Angela Wefers, Berlin Karrieren wie diese sind heute selten. 33 Jahre hat Dr. Jörg von Fürstenwerth (66) für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gearbeitet und davon 25 Jahre als Hauptgeschäftsführer an dessen Spitze gestanden. Ende September scheidet er altersbedingt aus diesem Amt aus. Sein Nachfolger wird Jörg Asmussen. Die Assekuranz ist eine Branche, deren Geschäftsmaxime Langfristigkeit ist. Dies setzt überzeugende Produkte und gehaltvolle Assets voraus. Beide Adjektive treffen auch den Hauptgeschäftsführer zu. In Berlin, wo Klappern vielfach zum Verbandshandwerk gehört, hat der GDV unter von Fürstenwerth die Geräuschlosigkeit über Parteigrenzen hinweg kultiviert, ohne dass darunter die Effektivität der Lobbyarbeit gelitten hätte. Man denke nur an die Erleichterung in der Niedrigzinsphase bei den Bewertungsreserven in den Versicherungsbilanzen.Von Fürstenwerth führt den GDV seit 1996, nachdem der Verband der Lebensversicherer und der frisch fusionierte Verband der Schadenversicherer sich zusammengeschlossen hatten und damit der zersplitterten Lobbyvertretung in der Assekuranz ein Ende setzten. Frisch im Amt, trieb von Fürstenwerth 1997 den Umzug des Verbandes von Bonn nach Berlin voran, dieser war damit einer der ersten Spitzenverbände am neuen Regierungssitz. Der GDV nutzte diesen Schritt, um sich inhaltlich und personell zu erneuern.Die Geradlinigkeit des geborenen Hamburgers paart sich bei von Fürstenwerth mit der Fähigkeit zu kreativen Lösungen, die er womöglich bei der Sozialisierung im Rheinland in seiner Jugend entwickelt hat. Von 1983 an wirkte der promovierte Jurist als Anwalt in einer internationalen Kanzlei, nachdem er Rechts- und Staatswissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre in Bonn und London studiert hatte und ihn das Rechtsreferendariat nach Köln, Berlin und Washington, D.C. führte. Den Versicherungsverband beriet er anwaltlich in europa- und wettbewerbsrechtlichen Fragen offensichtlich so gut, dass dieser ihn abwarb. Zu seinen ersten Aufgaben beim GDV gehörte es, die Schaffung des europäischen Binnenmarktes für Versicherungen mit einem neuen Regulierungsrahmen zu begleiten. Ähnlich einschneidend war die viel spätere Etablierung des europäischen Regelwerks Solvency II, bei dem die Branche erst im zweiten Anlauf die Teile entschärfen konnte, die sie als Härte empfand. Als ein Meilenstein in von Fürstenwerths Amtszeit werden im Verband die große Reform des Versicherungsvertragsrechts und das Lebensversicherungsreformgesetz angesehen. Mit Ersterem begründete der Gesetzgeber neue Verbraucherschutzrechte. Umwälzend war auch Letzteres, bei dem nicht alles nach dem Geschmack der Branche lief. Auch Verbände stoßen an Grenzen.Es gibt auch ein Leben nach dem Verband. Bundeskanzlerin Angela Merkel bestellte von Fürstenwerth jüngst erneut zum Vize-Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Elf Jahre lang hatte er von 1997 an für einen fairen Ausgleich, aber auch die historische Verantwortung der Branche bei den US-Sammelklagen zur Entschädigung nicht ausgezahlter jüdischer Versicherungspolicen gekämpft und war dafür 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden. Von Oktober an wird von Fürstenwerth die deutsche Finanzbranche im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vertreten. Auch bei den Maltesern, die er seit seinem 16. Lebensjahr unterstützt, warten neue Aufgaben.