Wachstumsstrategie

Einmalige Chance für mehr Gerechtigkeit

Der Aufschwung nach der Coronakrise bietet nach Ansicht der OECD die einmalige Chance für eine Neuausrichtung der Politik, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Auch in Deutschland.

Einmalige Chance für mehr Gerechtigkeit

wü Paris

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) appelliert an Regierungen, die Erholung nach der Coronakrise dafür zu nutzen, das Wachstum nachhaltiger und gerechter zu gestalten. „Lassen Sie uns zugeben: Nicht alles war gut vor der Krise“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung der neuesten Wachstumsstudie „Going for Growth 2021“ am Mittwoch während einer Videokonferenz. „Der Aufschwung nach der Krise bietet die einmalige Gelegenheit, es besser zu machen.“

Die Politik sollte nun versuchen, sich neu auszurichten und für ein stärkeres, gerechteres, nachhaltigeres und resilienteres Wachstum zu sorgen, mahnte er. „Aber damit das passieren kann, müssen die Regierungen jetzt handeln.“ Dabei plädiert die OECD auch für eine stärkere Kooperation der Länder. Die Pandemie habe die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit vor Augen geführt, die helfen könne, dass Maßnahmen effektiver wirken und kostengünstiger werden, erklärt OECD-Chefökonomin Laurence Boone in der Studie. Regierungen sollten die Priorität bei der Kooperation vor allem auf das Gesundheitswesen, Klimawandel, internationalen Handel und die Besteuerung von multinationalen Konzernen legen, rät sie. Die Experten der OECD geben in dem Wachstumsbericht aber vor allem länderspezifische Ratschläge, um das Wachstum nachhaltiger und gerechter zu gestalten. Es gebe keine Universalstrategie, meint Chefökonomin Boone. Die Empfehlungen basieren jedoch alle auf denselben drei Säulen: dem Aufbau von Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit, der Erleichterung von Umverteilung und der Unterstützung der Bevölkerung während der Übergangszeit.

Deutschland empfiehlt die OECD nun, mehr in wissensbasiertes Kapital und Infrastrukturen zu investieren. So gäbe es etwa bei Breitbandnetzen für die Telekommunikation Nachholbedarf im Vergleich zu anderen führenden Ländern, heißt es in der Ländernote.

Mehr IT in der Schule

Gleichzeitig behindere das geringe Niveau und die langsame Zunahme von wissensbasiertem Kapital die Innovationsfähigkeit. Die Geschäftsdynamik sei innerhalb des letzten Jahrzehnts gesunken, genau wie Neugründungen. Um dies zu ändern, empfiehlt die Organisation, Barrieren für den Eintritt bei Firmen und zu Unternehmen zu beseitigen und in den Schulen mehr Informations- und Kommunikationstechnik (ICT) zu nutzen, um computerbasierte Fähigkeiten und Programmieren zu fördern.

Für die Europäische Union (EU) sieht die OECD in der erfolgreichen Umsetzung des Wiederaufbauplans die Priorität. Da das Produktivitätswachstum der EU bereits vor der Pandemie hinter das der führenden Industrienationen gefallen sei, müsse Europa nun Innovationen fördern und für deren starke Verbreitung sorgen. Damit Innovationen und Produktivität steigen können, sollten Barrieren zum EU-Binnenmarkt bei Dienstleistern und Netzwerkindustrien beseitigt werden, so die OECD-Experten. Zudem sollte die Dekarbonisierung beschleunigt werden, da dies ein Hebel für Innovationen, Investitionen und Wachstum sei.

Frankreich wiederum muss nach Ansicht der Organisation jetzt vor allem für mehr Gerechtigkeit und Qualität bei Aus- und Fortbildung sorgen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone sollte aber auch zusehen, jetzt die gerade oft für junge und weniger gut ausgebildete Arbeitnehmer genutzten Kurzfrist-Arbeitsverträge zu reduzieren, um die Segmentierung des Arbeitsmarktes zu verringern und den Aufschwung inklusiver zu gestalten.