NOTIERT IN SCHANGHAI

Ente gut, alles gut

In China kommen die wenigsten Menschen auf die Idee, in den Park zu gehen, um dort Enten zu füttern, denn die Enten sollen schließlich die Nation füttern. Man findet sie eher selten in Teichen friedlich umherschwimmen. Frei zugängliches Geflügel...

Ente gut, alles gut

In China kommen die wenigsten Menschen auf die Idee, in den Park zu gehen, um dort Enten zu füttern, denn die Enten sollen schließlich die Nation füttern. Man findet sie eher selten in Teichen friedlich umherschwimmen. Frei zugängliches Geflügel wird vielerorts noch als eine Art öffentliches Gut angesehen, an dem sich jeder bedienen kann. Aus Entensicht ist die Gefahr groß, jemandem ins Netz zu gehen und dann im Wok zu landen.Seit dem Ausbruch des H7N9-Vogelgrippevirus, das seine eigentliche Zielgruppe nicht wirklich krank werden, sondern munter weiterflattern lässt, dafür aber die Menschheit erwischt, haben die zahllosen Entenbratereien im Reich der Mitte ein Problem. Wie kann man dem Publikum klarmachen, dass die heiß geliebte Beijing Kouya (Peking-Ente) heiß und lang genug geröstet wurde, um jedem Virus den Garaus zu machen. Bei China Quanjude Group, deren wenn nicht welt-, dann zumindest chinaberühmte Restaurantkette seit 136 Jahren Enten zerteilen und mit Gurkenstreifen, Frühlingszwiebelspänen sowie Hoisin-Sauce in Pfanneküchlein wickeln lässt, sind die Umsätze weggeflattert und die Aktienkurse im Keller. *Es gibt noch ganz andere Branchen, die richtig Federn lassen müssen. Bei der China Feather and Down Industrial Association rauft man sich die Haare bezüglich der Branchenperspektiven. Das größte Problem ist blitzschnelle Verteuerung der Rupfware. Weiße Entendaunen, die bislang für 350000 Yuan (44000 Euro) je Tonne zu haben waren, kosten jetzt 600000 Yuan. Und Nachschub ist wegen der zahlreichen Beschränkungen für Geflügelhaltung und Transport zur Vermeidung der Virusverbreitung immer schwerer zu bekommen.Chinas Marktführer bei Daunenjacken, Bosideng International Holdings, braucht rund 300 Tonnen Federn, allein um die ausländischen Orders für knapp 4 Millionen Jacken und Mäntel zu erfüllen, kommt aber kaum noch an bezahlbares Füllmaterial heran. Wer sich im kommenden Winter darüber wundern sollte, warum sich hochwertige Skijäckchen drastisch verteuern – Schuld hat nur das H7N9.Die Vogelgrippe bringt nicht zuletzt Badmintonspieler gehörig ins Schwitzen. Federball ist eine ernste Angelegenheit im Reich der Mitte. Während man sich im Westen nichts dabei denkt, am Strand oder im Park ein Plastikhütchen mit Gummikopf hin- und herzuschlagen, weiß der Chinese, dass nur ein “Ball”, an dem Entenfedern von der besten Sorte dran sind, für optimale Flugverhältnisse sorgen kann.Eine Zwölferpackung kostet derzeit 30 bis 50 Yuan und bald schon sehr viel mehr. Es droht außerdem Knappheit. China hat nicht nur die besten Badmintonspieler auf der Welt, sondern auch die meisten. 90 Millionen Menschen dreschen auf Federbälle ein und kommen auf einen Jahresverbrauch von fast 2 Milliarden Stück. *Es gibt schlussendlich aber doch noch gute Nachrichten zu vermelden. In Hongkong sorgen Enten für einen Konjunkturstimulus, allerdings nur die von der federfreien Sorte, wie man sie von fröhlichen Badewannenstunden her kennt. Unlängst ist eine riesig dimensionierte (17 x 15 x 14 Meter) quietschgelbe, aufblasbare Ente mit Kulleraugen im Victoria Harbor an der Hongkonger Wasserfront eingeschwommen.Es handelt sich um eine “Installation” des niederländischen Künstlers Florentijn Hofmann, die zuvor schon in anderen Städten, darunter Amsterdam, Osaka, Sao Paolo und Sydney, die Herzen erfreut hat. Nirgendwo aber ist sie auf eine so verzückte Resonanz gestoßen wie in Hongkong.Die Touristenzahlen schießen in die Höhe, Souvenirartikel mit dem einschlägigen Motiv gehen weg wie warme Semmeln. In den Wolkenkratzerhotels der vertikal gebauten Stadt sind Zimmer mit Entenblick der absolute Renner. Und das Geschäft ist absolut gripperesistent. Auch für den Hongkonger Badeentchenhersteller Edeva. Der lässt auf dem nahe gelegenen chinesischen Festland jährlich über 1 Million schwimmende Vergnügungsartikel vom Band laufen. Seit dem Besuch der Riesenente sind die Aufträge um 60% gestiegen.