„Es kann zu Liquiditätsproblemen kommen “
„Es kann zu Liquiditätsproblemen kommen “
Im Interview: Tobias Adrian
„Es kann zu Liquiditätsproblemen kommen“
Der Finanzmarktchef des IWF sieht Risiken für die Finanzstabilität durch Intermediäre wie Investmentfonds – Vor- und Nachteile von Stablecoins abwägen
Finanzintermediäre aus dem Nichtbanken-Sektor spielen eine immer größere Rolle. Dadurch entstehen Risiken für die Finanzstabilität, erklärt Tobias Adrian, Finanzmarktchef des Internationalen Währungsfonds im Interview. Liquiditätsprobleme dieser Intermediäre können schnell auf den Bankensektor überschwappen.
Herr Adrian, der IWF warnt vor Risiken für die Finanzstabilität, die von Finanzintermediären aus dem Nichtbanken-Sektor (NBFI) ausgehen können. Wo liegen hier die Gefahren?
Fristentransformationen spielen bei den NBFI eine wichtige Rolle. Die Passivseite der Investmentfonds hat also oft eine kürzere Laufzeit als die Aktivseite. Es kann in bestimmten Fällen zu Liquiditätsproblemen kommen. Bei international tätigen Fonds kommen zudem noch Währungsrisiken hinzu. Die Fonds arbeiten außerdem mit Leverage. Diese Gelder werden typischerweise von Banken bereitgestellt. Wenn es also zu Liquiditätsproblemen bei NBFI kommt, kann dies auf den Bankensektor überschwappen.
Der IWF wünscht sich eine größere Transparenz im NBFI-Bereich. Welche Daten fehlen?
Das ist sehr unterschiedlich je nach Land. In den USA sammelt die Finanzaufsichtsbehörde SEC Daten über private Funds, die sehr detailliert sind. Diese sind aber nicht zugänglich für Investoren. Die SEC veröffentlicht nur aggregierte Informationen. In vielen europäischen Ländern verfügen die Aufsichtsbehörden dagegen nicht über so granulare Daten. Für die meisten Schwellenländer trifft das auch zu. Allgemein gibt es Datenlücken bei staatenübergreifenden Transaktionen. So fehlt etwa ein Überblick, inwieweit die Finanzierungskonditionen eines Landes von NBFI aus dem Ausland beeinflusst werden. Was in Hinblick auf die Finanzstabilität relevant ist bei der Frage, wie sich Turbulenzen in einem Land auf ein anderes auswirken können.
Führt das verstärkte Aufkommen von NBFI zu lockeren Finanzierungskonditionen?
Das würde ich nicht sagen. NBFI sind schon sehr auf ein gutes Risikomanagement bedacht. Daher geht von Ihnen auch kein grundsätzliches Risiko für die Finanzstabilität aus. Aber in bestimmten Situationen kann es eben zu Marktstress kommen.
Die USA möchten womöglich eine Entscheidung rückgängig machen, wonach die Eurozone bei der Bewertung grenzüberschreitender Risiken als ein einziges Regulierungsgebiet gilt. Welche Folgen hätte das für die Finanzstabilität?
Ich kann nichts dazu sagen, was der aktuelle Stand der Diskussionen bei diesem Thema ist. Klar ist, dass würde zu strengeren Kapitalvorschriften für einige Banken der Eurozone führen. Die Debatte entsteht in den USA dadurch, dass die Eurozone zwar ein Währungsraum ist, aber nach wie vor keine vollendete Bankenunion. Ich nehme aber wahr, dass in Europa zuletzt die Motivation gestiegen ist, die Bankenunion voranzutreiben.
Blicken wir wieder in die USA. Noch reagieren die Märkte wenig auf die Diskussionen um die Unabhängigkeit der Fed. Befürchten Sie, dass es bei Investoren zu einer Neubewertung der Lage kommen könnte, die zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führt?
Der IWF befürwortet eine operative Unabhängigkeit von Notenbanken. Sie sollten einen gewissen Freiraum haben, wie sie ihre Ziele erreichen, die zuvor von der Gesellschaft über Parlamente oder Regierungen gesetzt wurden. Sie müssen aber auch kommunizieren, wieso ihre Maßnahmen für ihr Mandat nötig war. In den USA agiert die Federal Reserve weiterhin so, wie es ihr duales Mandat erfordert.
Die Verbreitung von Stablecoins wächst rasant. Welche Implikationen hat das für die Finanzstabilität?
Die Regulierung muss die Vor- und Nachteile von Stablecoins berücksichtigen. Die Blockchain-Technologie kann im Zahlungsverkehr für geringere Kosten sowie mehr Effizienz und Inklusion sorgen. Stablecoin-Emittenten halten viele US-Staatsanleihen als Sicherheiten. Diese sind zwar traditionell sicher, können jedoch auch unter Druck geraten. Eine zweite Sorge besteht darin, dass Stablecoins in Entwicklungsländern zu einer schnellen Dollarisierung führen können. Das sollten Regulatoren in diesen Ländern beachten.
Das Interview führte Martin Pirkl.