Es matcht nicht am Ausbildungsmarkt
Es matcht nicht am Ausbildungsmarkt
Es werden weniger Plätze angeboten, dennoch bleiben viele unbesetzt. Ein fehlender Schulabschluss ist derweil kein Ausschlusskriterium mehr.
ba Frankfurt
Der Fachkräftemangel verstärkt sich selbst: Denn vielen Unternehmen in Deutschland fehlen heute die Fachkräfte, um jene von morgen auszubilden. Oder es fehlt schlicht die wirtschaftliche Perspektive. Bei den Auszubildenden wiederum ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Betriebsnähe ein großes Problem. Umfragen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass es Unternehmen häufig sehr schwerfällt, Ausbildungsplätze anzubieten und zu besetzen. Ist die Ausbildung aber erst einmal erfolgreich abgeschlossen, ist die Chance übernommen zu werden so hoch wie nie.
Gezielte Zuwanderung, Bürokratieabbau, stärkerer Einsatz bereits bestehender Unterstützungsmöglichkeiten wie etwa die Einstiegsqualifizierung oder eine Neuausrichtung der Bildungspolitik könnten helfen, die Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt zu minimieren.
Es ist noch nicht zu spät
Für das Ausbildungsjahr 2025 haben sich seit vergangenen Oktober 414.000 junge Menschen bei den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern um einen Ausbildungsplatz bemüht, das sind 12.000 mehr als im Vorjahr. 140.000 von ihnen waren im Juli noch unversorgt. Dem stehen aktuell noch 182.000 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Insgesamt berichtet die Bundesagentur für Arbeit (BA) über 466.000 gemeldete Berufsausbildungsstellen. Das sind 26.000 weniger als im Vorjahreszeitraum.
Noch ist der Ausbildungsmarkt aber stark in Bewegung. BA-Chefin Andrea Nahles rief die Jugendlichen daher Ende Juli dazu auf, diese Chance noch zu nutzen. Denn die Verdienstmöglichkeiten seien mit Berufsausbildung langfristig viel besser und die Beschäftigungschancen stabiler. „Ich bedauere es sehr, wenn Jugendliche auf eine Ausbildung verzichten“, sagte Nahles mit Blick auf die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten. „Unser Ziel ist klar: Kein Jugendlicher soll beim Übergang in das Berufsleben verloren gehen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter unterstützen mit Beratung, Vermittlung und gezielten Förderangeboten“, unterstreicht Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas.
Ausbildungsbereitschaft sinkt
Das Ungleichgewicht am Ausbildungsmarkt lässt sich aber nicht so leicht beheben: Laut der DIHK-Umfrage wollen 26% der Unternehmen weniger Ausbildungsplätze anbieten als 2024 – vor allem wegen der Wirtschaftsschwäche. Nur 15% offerieren mehr Ausbildungsplätze. Laut dem IAB erfüllten 2024 etwa 51% der Betriebe die gesetzlichen Voraussetzungen, um auszubilden. 56% von ihnen bzw. 29% bezogen auf alle Betriebe, bildeten auch tatsächlich aus. Dabei würden Betriebe mit Reingewinn häufiger ausbilden. Bei ihnen bleiben auch weniger Plätze unbesetzt und die Übernahmequote ist auch höher, betont das IAB. Wobei kleinere und mittlere Unternehmen häufig gar keine Bewerbungen erhalten, wie die DIHK festhält.

Bei der Frage, warum Unternehmen trotz Ausbildungsberechtigung nicht ausbilden, wurde im IAB-Betriebspanel vor allem der Mangel personeller Kapazitäten oder geeigneter Bewerber genannt. Aber auch schlechte Erfahrungen, Kosten oder fehlende Notwendigkeit sprachen oftmals für die Nichtbeteiligung an der Ausbildung im Jahr 2024. In dem Jahr wurden mit 471.000 denn auch 1,8% weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als 2023. Das Vor-Corona-Niveau wird damit weiter deutlich unterschritten.
Große Defizite beklagt
In der DIHK-Umfrage benennen die Unternehmen auch Defizite in der grundlegenden Leistungsfähigkeit sowie im Arbeits- und Sozialverhalten der jungen Menschen als Grund für die Besetzungsschwierigkeiten. „Es mangelt an Basiskenntnissen und Kompetenzen, die praktisch für jeden Ausbildungsberuf nötig sind: Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Einsatzwille und Lesen, Schreiben, Rechnen“, erklärt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Die Schulen müssten den Fokus wieder auf die grundlegenden Fähigkeiten legen, die Berufsschulen deutlich gestärkt und die Zusammenarbeit von Schule und Betrieb verbessert werden. Zudem gebe es Luft nach oben bei der personellen Ausstattung und technischen Infrastruktur der Berufsschulen.
Fehlender Abschluss kein Ausschlusskriterium
Oftmals ist auch der fehlende Schulabschluss ein Argument, keine Lehrstelle zu bekommen: Laut IAB trifft dies auf 48% der Betriebe zu. Die 52%, die grundsätzlich bereit wären, hier ein Auge zuzudrücken, setzen allerdings einen guten Eindruck beim Bewerbungsgespräch (40%), ein erfolgreiches Praktikum bzw. Probearbeiten (38%) oder eine Empfehlung durch Dritte (15%) voraus. Bewerber ohne Schulanschluss haben die besten Chancen vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen. Sowie bei Firmen aus der Gastronomie oder Bauwirtschaft, die ohnehin nur aus einem kleineren Bewerberpool schöpfen können, bzw. es ohnehin vergleichsweise viele einfache Tätigkeiten gibt. Die geringste Bereitschaft, auch diesen Jugendlichen eine Chance zu geben, zeigt laut IAB das Finanz- und Versicherungswesen sowie die öffentliche Verwaltung. Und während sich 57% der vom DIHK befragten Firmen offen für Auszubildende aus Drittstaaten zeigen – vor allem im Gastronomie- und Hotelgewerbe –, bleiben neben den Sprachkenntnissen die bürokratischen Hürden das größte Hindernis.
Rekordhohe Übernahmequote
Nach dem Ausbildungsende sind die Übernahmechancen weiter „herausragend gut“ – trotz Wirtschaftskrise, berichtet die DIHK. Zwei Drittel der Unternehmen würden alle Auszubildenden weiter beschäftigen. Nur bei 10% bekommen weniger als die Hälfte der Absolventen einen Anschlussvertrag. Das IAB meldet für 2024 in allen Branchen einen Anstieg der Übernahmequote. Insgesamt kletterte sie um 3 Prozentpunkte auf den Höchstwert von 79%. 2010 lag die Übernahmequote noch bei 61%. Allerdings, so schränkt das IAB ein, beruht dieser Zuwachs nur zum Teil auf einem Anstieg der absoluten Zahl an Übernahmen. Denn gleichzeitig sank die Zahl der Ausbildungsabschlüsse im Zeitraum von 2010 bis 2024 um 14%. Ursächlich seien einerseits kleiner werdende Ausbildungskohorten, andererseits vermutlich auch ein Anstieg vorzeitiger Vertragslösungen.
Finanzen und Versicherungen vorn
Generell war die Übernahmequote in Großbetrieben höher als in kleinen und mittleren Betrieben. Die besten Übernahmechancen hatten laut IAB Auszubildende im Finanz- und Versicherungswesen, in den Bereichen Bergbau/Energie- und Wasserversorgung, Verkehr und Lagerei sowie in der öffentlichen Verwaltung. In diesen Branchen wurden fast neun von zehn Ausbildungsabsolventen übernommen. Die geringste Quote zeigte die Land- und Forstwirtschaft mit 60%. Mit Blick auf den Anstieg der Übernahmequoten lagen das verarbeitende Gewerbe und der Bereich Information und Kommunikation am Ende der Liste, der Bereich Erziehung und Unterricht am Oberen. „Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels im Bereich Erziehung und Unterricht gehen Betriebe offenbar häufiger Kompromisse bei der Übernahme ihrer Absolvierenden ein“, erklärte IAB-Direktor Bernd Fitzenberger.