EU behält sich späteren Zugriff auf Frozen Assets vor
EU behält sich späteren Zugriff auf Frozen Assets vor
EU behält sich Zugriff auf Frozen Assets vor
Gipfel ringt sich zum Kompromiss über Ukrainehilfe durch – 90 Mrd.-Euro-Kredit soll Finanzierung für zwei Jahre sichern
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nach intensiven Verhandlungen auf eine Lösung verständigt, wie sie der Ukraine über die nächsten zwei Jahre hinweg ausreichend Finanzhilfen für ihren militärischen Bedarf und zur Haushaltsunterstützung zur Verfügung stellen können.
fed Frankfurt
Der EU-Gipfel hat sich in der Nacht zum Freitag auf einen Kompromiss über die finanzielle Hilfe für die Ukraine im nächsten und übernächsten Jahr verständigt. Vorausgegegangen war der Einigung eine intensive Debatte über den Zugriff auf die Frozen Assets, also die in der Europäischen Union beschlagnahmten russischen Vermögenswerte. Nach Abschluss des Gipfeltreffens zeigten sich sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz als auch der belgische Premier Bart de Wever mit der gefundenen Lösung zufrieden. Merz hatte zunächst dafür votiert, die eingefrorenen Vermögen der russischen Zentralbank bereits heute als Sicherheiten für die Ukraine-Finanzierung zu nutzen. De Wever, der vor möglichen Vergeltungsakten Russlands gegen Belgien als Heimat der zentralen Verwahrstelle Euroclear warnte, bestand auf einer Absicherung aller denkbaren Schäden und Verluste durch die EU-Partner. Als Italien und Frankreich signalisierten, dazu nicht bereit zu sein, kam die Vorgehensweise ins Spiel, auf die sich letztlich die Regierungschefs einigten.
Sie sieht vor, dass die Ukraine einen zinslosen Kredit über 90 Mrd. Euro gewährt bekommt. Die Summe soll reichen, um den militärischen und zivilen Bedarf des Landes in den nächsten zwei Jahren zu decken. Das Darlehen wird von der EU am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Ukraine müsse den Kredit nur zurückzahlen, wenn sie nach einem Kriegsende von Russland entschädigt werde.
Bundeskanzler Merz war am Freitag der Hinweis wichtig, dass sich die EU weiterhin einen Zugriff auf die Frozen Assets vorbehalte, nur eben zu einem späteren Zeitpunkt als ursprünglich vorgeschlagen. „Sollte zum Zeitpunkt der Rückzahlung weiterhin keine Entschädigung gezahlt sein, werden wir die russischen Vermögenswerte zur Rückzahlung heranziehen können“, unterstrich Merz und fügte an: „Die Optionen dafür liegen auf dem Tisch.“ Die EU gehe jetzt in Vorleistung. Aber dieses Vorgehen werde abgesichert durch die russischen Vermögenswerte. „Die sind auf Dauer immobilisiert und werden erst freigegeben, wenn dieses Darlehen, entweder durch Reparationen von Russland oder eben mit Zugriff auf diese Vermögenswerte, zurückgezahlt ist“, lautete die Lesart der Gipfel-Ergebnisse durch Merz.
Aus Sicht hochrangiger EU-Beamter klang dies deutlich vorbehaltlicher. Sie bestätigten zwar, dass sich die EU die politische Option vorbehalte, die Frozen Assets zu nutzen. Das dürfe aber nur geschehen, soweit dadurch niemand enteignet und nicht gegen internationales Recht verstoßen werde. Insofern signalisierten sie, dass die russischen Vermögenswerte nicht automatisch eingesetzt werden könnten, falls Moskau keine Reparationen zahlen werde, sondern dass dann die Debatten der vergangenen Wochen neu geführt werden müssten.
Abgewickelt werden soll der neue Kredit über die bereits bestehende Ukraine-Fazilität, über die seit Februar 2024 bereits 33 Mrd. Euro an Darlehen über Anleihen der EU-Kommission ausgereicht wurden. Besichert würden die Anleihen, so heißt es aus deutschen Regierungskreisen, über den so genannten Headroom des Mehrjährigen Finanzrahmens, also über die Differenz zwischen der vom Bundestag ratifizierten Eigenmittelobergrenze und den tatsächlichen EU-Ausgaben in einem Jahr. Mit diesen Hinweisen möchte die Bundesregierung unterstreichen, dass es sich nicht um ein völlig neues Finanzierungsformat oder gar den Einstieg in eine gemeinsame Kreditaufnahme der EU für Haushaltsausgaben handele.
24 statt 27
Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben sich ausbedungen, sich nicht an der Finanzierung der Ukraine zu beteiligen. Aus diesem Grund muss die EU auf das Vertragsformat der „verstärkten Zusammenarbeit“ ausweichen, also auf eine Verständigung von 24 statt 27 Staaten.
Merz betonte die Bedeutung, dass sich die EU über die Finanzierung der Ukraine verständigt habe. „Europa hat verstanden, was die Stunde geschlagen hat“, sagte Merz. Europa habe „eine Demonstration seiner Souveränität abgeliefert.“ Im Rückblick auf die jüngsten Gespräche mit den USA und der Ukraine erklärte der Kanzler: „Mehr Diplomatie als in den letzten Tagen geht nicht.“ Aber Diplomatie allein werde Russland erkennbar nicht zum Einlenken bewegen und nicht an den Tisch bringen. Deswegen müsse der Druck aufrechterhalten werden „und das haben wir heute getan.“ Putin werde erst einlenken, wenn er begreife, dass sich sein Krieg nicht lohnen wird. Der russische Präsident Wladimir Putin hat derweil Hoffnungen auf einen baldiges Ende des Kriegs in der Ukraine gedämpft. Er sehe bei der ukrainischen Regierung keine Bereitschaft zu Friedensgesprächen.
