Freihandel

Felbermayr erkennt neuen Handelsfokus

Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt der Ökonom Gabriel Felbermayr, weshalb die EU bei Freihandelsabkommen inzwischen neue inhaltliche Schwerpunkte setzt, sowie mit welchen Ländern und Regionen derzeit Verhandlungen laufen.

Felbermayr erkennt neuen Handelsfokus

Felbermayr erkennt neuen Handelsfokus

EU stellt Klimaschutz und Versorgungssicherheit in den Vordergrund

mpi Frankfurt

Ging es der Europäischen Union in der Vergangenheit bei Freihandelsabkommen vor allem darum, den Handel mit anderen Regionen zu erhöhen, um mehr Wohlstand zu schaffen, sind laut Ökonom Gabriel Felbermayr inzwischen andere Punkte wichtig geworden. „Klimaaspekte rücken derzeit ganz klar in den Vordergrund“, sagt der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) im Interview der Börsen-Zeitung. Zudem gewinne aufgrund der hohen wirtschaftlichen Abhängigkeit von einzelnen Ländern wie China das Thema Versorgungssicherheit bei Verhandlungen um Handelsabkommen immer stärker an Bedeutung.

Derzeit konzentriert sich die EU bei ihren Gesprächen für Handelsabkommen auf Asien und Ozeanien. Eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den südostasiatischen Asean-Staaten könnte die Abhängigkeit von China reduzieren. „So haben beispielsweise die Gespräche mit Indonesien jüngst Fortschritte erzielt“, sagt Felbermayr. Ein neues Abkommen mit Neuseeland steht bereits, ein weiteres mit Australien dürfte laut der Einschätzung des Wirtschaftswissenschaftlers, der von 2019 bis 2022 Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) war, bald folgen. Wichtig für den Klimaschutz und die Diversifizierung der Handelsbeziehungen sind auch die wieder anlaufenden Verhandlungen mit Indien.

Das Scheitern des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP und den schlechten Ruf von Freihandelsabkommen in Teilen der Bevölkerung macht Felbermayr an der fehlerhaften Öffentlichkeitsarbeit fest. Dies fange schon beim Begriff Freihandel an. Dieser suggeriere, dass jeder machen könne, was er wolle. „Dabei geht es bei solchen Abkommen darum, gemeinsame Regularien zu finden, an die sich dann alle Marktteilnehmer halten müssen“, sagt Felbermayr. „Freihandel gibt es daher in Wahrheit gar nicht, noch nicht mal innerhalb der Europäischen Union.“ Zuletzt habe sich das Image von Freihandelsabkommen jedoch verbessert – was nicht zuletzt am erweiterten Fokus der Abkommen liege.

Interview Seite 6
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