AstraZeneca

EU-Impfstoffstreit mit AstraZeneca kocht hoch

Nachdem eine Einigung mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca vorerst nicht gelungen ist, suchen Spitzenpolitiker in der EU angesichts von Lieferkürzungen beim Corona-Impfstoff nach Auswegen. In einigen Ländern wurden Rufe nach...

EU-Impfstoffstreit mit AstraZeneca kocht hoch

ahe/hip Brüssel/London

Nachdem eine Einigung mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca vorerst nicht gelungen ist, suchen Spitzenpolitiker in der EU angesichts von Lieferkürzungen beim Corona-Impfstoff nach Auswegen. In einigen Ländern wurden Rufe nach einer Klage gegen den Konzern wegen Vertragsbruchs laut. Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics sagte, diese Möglichkeit solle erwogen und unter den EU-Ländern koordiniert werden.

Bei einem Krisentreffen des Konzerns mit Vertretern der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten zu Wochenbeginn war keine Lösung gefunden worden. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen forderte gestern auf dem digital stattfindenden Davos-Weltwirtschaftsforum die Hersteller von Covid-Impfstoffen noch einmal eindringlich auf, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Europa habe Milliarden Euro zur Impfstoffentwicklung beigesteuert. „Und jetzt müssen die Firmen liefern.“ AstraZeneca hatte angekündigt, statt 80 Millionen Impfstoffdosen im ersten Quartal nur 31 Millionen Dosen in die EU zu liefern. Die EU-Kommission, die insgesamt 400 Millionen Dosen bei AstraZeneca bestellt hat, verlangt jetzt Einblick in die Daten des Konzerns.

In der ebenfalls bereits laufenden Debatte über mögliche Exportverbote für Corona-Impfstoffe brachte Bundeskanzlerin Angela Merkel auch einen Lieferstopp in die USA ins Gespräch. Auf dem digitalen Davos-Gipfel verwies sie darauf, dass in den USA ein „War Act“ für den Export von Impfstoffen und im Zweifelsfall auch von wichtigen Zulieferkomponenten für Impfstoff in Kraft sei.

Die EU-Arzneimittelagentur EMA schloss nicht aus, dass der Corona-Impfstoff von AstraZeneca in Europa nur für eine bestimmte Altersgruppe zugelassen wird. Der Konzern wies Berichte deutscher Medien über eine angeblich schwache Wirksamkeit seines Impfstoffs bei Menschen über 65 Jahren als „völlig unrichtig“ zurück. Im November habe das Unternehmen Daten in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht, die eine starke Immunreaktion bei älteren Erwachsenen demonstrierten, sagte ein Sprecher von AstraZeneca. Nach der zweiten Dosis hätten 100 % der älteren Erwachsenen Antikörper gebildet. Chinesische Staatsmedien versuchten zudem, den Tod von Altenheimbewohnern in Norwegen mit Impfungen mit dem Vakzin von Biontech und Pfizer in Verbindung zu bringen.

Der britische Staatssekretär Na­dhim Zahawi, der für das Impfprogramm verantwortlich ist, warnte vor „Impfstoff-Nationalismus“. Er wollte sich nicht zur Menge der erhaltenen Dosen äußern oder dazu, ob Großbritannien Liefergarantien von Herstellern erhalten habe. Bis Mitte Februar will der National Health Service 15 Millionen Menschen die erste Dosis anbieten. Das Land bestellte bereits im Mai 2020 bei AstraZeneca, was dem Unternehmen drei Monate länger Zeit gab, um Produktions- und Lieferprobleme in Angriff zu nehmen, wie der ITV-Journalist Robert Peston im „Spectator“ darlegt. Weil die EU-Kommission die Verhandlungen an sich gezogen habe, sei es im Juni 2020 nicht zum Abschluss einer „inklusiven Impfstoffallianz“ gekommen, der u.a. Deutschland angehörte. Erst Ende August sei man handelseinig geworden.