EU-Partner nach Niederlande-Wahl erleichtert

Rechtsnationale unter Wilders landen nur im Mittelfeld - Rutte verteidigt Poleposition - Juncker spricht von Votum für Europas Werte

EU-Partner nach Niederlande-Wahl erleichtert

Die rechtsnationale Freiheitspartei (PVV) unter Geert Wilders hat bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden wesentlich weniger Stimmen erhalten, als sich noch vor wenigen Wochen in Umfragen andeutete. Das hat für Erleichterung in Brüssel und Berlin gesorgt – und für Hoffnungen der etablierten Parteien, der Aufstieg der Rechtspopulisten in Europa könne gestoppt werden.fed/wf Frankfurt/Berlin – Der seit sieben Jahren amtierende Ministerpräsident Mark Rutte hat gute Aussichten, für eine weitere Amtszeit Regierungschef der Niederlande zu bleiben. Ruttes Partei, die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), musste zwar im Vergleich zur Wahl 2012 Stimmanteile abgeben, behauptete aber ihre Spitzenposition und baute sogar den Vorsprung auf die Verfolger aus. Die rechtsnationale Partij voor de Vrijheid des für seine fremdenfeindlichen Sprüche berüchtigten Rechtspopulisten Wilders konnte zwar im Vergleich zu 2012 leicht hinzugewinnen. Allerdings blieb sie meilenweit hinter den Resultaten zurück, die Demoskopen der PVV noch bis vor wenigen Wochen zugetraut hatten.Zur Erinnerung: Vor einem Jahr konnte der rechtsnationale Politiker mit dem auffälligen weißgrauen Haarschopf in Umfragen gut doppelt so viele Wähler hinter sich bringen wie Rutte. Und noch im Dezember lag die Freiheitspartei in den Meinungserhebungen knapp 10 Prozentpunkte vor der regierenden VVD des Premierministers. Doch in den vergangenen Wochen – und vor allem in den letzten Tagen vor der Wahl, als sich der Streit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zuspitzte und sich der niederländische Ministerpräsident mit einem harten Kurs bei vielen seiner Landleute profilierte – gelang es Rutte, die Stimmung zu drehen.Um Wähler, die sich der Freiheitspartei zugewandt hatten, wieder zurückzugewinnen, hat sich Rutte dazu hinreißen lassen, zwischenzeitlich ebenfalls nationalistische Töne anzuschlagen. Die scharfe Kritik an der Europäischen Union, die im Wahlkampf von Wilders geäußert wurde, machte sich der Regierungschef indes nicht zu eigen. Entsprechend erleichtert reagierten am Tag nach der Wahl Vertreter der EU-Kommission und des EU-Parlaments. Die Tatsache, dass es Rutte gelungen ist, den rechtsnationalen Kontrahenten mit deutlichem Abstand auf die Plätze zu verweisen, bezeichnete EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker als “Inspiration für viele”. Die Niederländer hätten “mit überwältigender Mehrheit für die Werte gestimmt, für die Europa steht”, unterstrich Juncker. Merkel: Ein guter TagAuch Bundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich zu Wort. Sie sprach von “einem guten Tag für die Demokratie”. Frankreichs Präsident François Hollande, in dessen Heimatland sich am 23. April und am 7. Mai der nächste Test für die Frage ansteht, welchen Einfluss die Nationalisten auf die Politik gewinnen, jubelte am Tag nach der Niederlande-Wahl über einen “klaren Sieg gegen den Extremismus”. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel zog sogar eine direkte Verbindung zwischen den Niederlanden und Frankreich. Er sei überzeugt, dass sich “das bei der französischen Präsidentschaftswahl wiederholen wird”.Dieser Einschätzung stehen Bankanalysten skeptisch gegenüber. Sie warnen vor allzu raschen Ableitungen auf die Frankreich-Wahl. “Die politische Situation in Frankreich ist mit derjenigen in den Niederlanden kaum vergleichbar”, zitiert Reuters Anleihespezialist Dirk Gojny von der National-Bank. Keiner der französischen Kandidaten sei wie Rutte bereits Amtsinhaber und könne einen Amtsbonus vor den Wahlen ausspielen, unterstreicht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Das Parteiprogramm von Marine Le Pen sei nicht so radikal wie das von Wilders. Zudem seien die Wähler Le Pens hochmotiviert, während es unklar sei, wie viele Franzosen bei der Stichwahl am 7. Mai am Ende tatsächlich für ihren wahrscheinlichen Rivalen Emmanuel Macron stimmten. “Man muss den Rückstand Le Pens in den Umfragen mit Vorsicht interpretieren”, warnt Krämer. Erdogan poltert erneutWährend die Europäer noch über die Interpretation des Wahlausgangs in den Niederlanden diskutieren, hat die Türkei bereits ihre Schlussfolgerungen gezogen – und erneut in undiplomatischem Ton vorgebracht. Erdogan wendete sich direkt an den niederländischen Wahlsieger: “Hey Rutte, du magst die Wahl als erste Partei gewonnen haben, aber du musst wissen, dass du einen Freund wie die Türkei verloren hast”, erklärte Erdogan laut Reuters.