Teuerung und Geldpolitik

Euro-Inflation lässt kräftig nach und befeuert EZB-Debatte

Hat die EZB den Zinsgipfel erreicht oder nicht? Entscheidend dafür ist insbesondere die Entwicklung der weiter zu hohen Inflation. Neue Daten bestärken nun eher diejenigen, die argumentieren, dass die EZB bereits genug getan hat.

Euro-Inflation lässt kräftig nach und befeuert EZB-Debatte

Teuerung geht stärker als erwartet auf 4,3 Prozent zurück – Debatte über EZB-Kurs – Heterogenität als Problem

Inflation in Euroland lässt kräftig nach

ms Frankfurt

Hat die EZB den Zinsgipfel erreicht oder nicht? Diese Frage treibt Ökonomen wie Marktteilnehmer um. Entscheidend dafür ist insbesondere die Entwicklung der weiter zu hohen Inflation. Neue Daten bestärken nun eher diejenigen, die argumentieren, dass die EZB bereits genug getan hat: Die Teuerung lässt deutlich nach.

Die Inflation im Euroraum ist im September noch kräftiger als ohnehin schon erwartet zurückgegangen – um fast 1 Prozentpunkt von 5,2% auf 4,3%. Zudem gab auch die aktuell besonders im Fokus stehende Kernrate (ohne Energie und Lebensmittelpreise) deutlicher nach als prognostiziert – von 5,3% auf 4,5%. Auch für die nächsten Monate zeichnet sich ein weiterer Rückgang ab. Die von der EZB angestrebten 2,0% bleiben aber vorerst außer Reichweite. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte deshalb über die neuen Daten erleichtert sein, aber vorsichtig bleiben. Erschwerend kommen für sie die großen Unterschiede zwischen den Euro-Ländern hinzu.

Zunehmende Rezessionssorgen

Befeuert durch die Folgen der Pandemie, die sehr expansive Geld-und Fiskalpolitik in der Krise und den Ukraine-Krieg hatte die Inflation in den Jahren 2021 und 2022 extrem zugelegt bis auf den absoluten Rekordwert von 10,6% im Oktober 2022. Die EZB hatte daraufhin ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie – um 450 Basispunkte seit Juli 2022. Inzwischen lässt die Teuerung deutlich nach, sie liegt aber immer noch klar oberhalb des 2-Prozent-Ziels. Zugleich nehmen Rezessionssorgen zu. Die EZB steckt deshalb in einem Dilemma. Im September hatte sie ihre Leitzinsen erneut erhöht, aber signalisiert, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte.

Am Freitag nun wurde bekannt, dass die Teuerung im Euroraum im September nicht nur auf 4,5% gesunken ist, wie von Volkswirten erwartet, sondern sogar auf 4,3%. Am Donnerstag hatte bereits der unerwartet starke Rückgang der deutschen Teuerung von 6,4% auf 4,3% (EU-harmonisiert) positiv überrascht. „Der Rückgang der Inflationsrate geht zum Herbstbeginn wieder schneller vonstatten“, sagte die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib. Im August hatte der Inflationsrückgang nahezu stagniert.

Kernrate geht stark zurück

Für den starken Rückgang jetzt waren zwar vor allem Basiseffekte wie das Auslaufen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts in Deutschland im Vorjahr verantwortlich, die nun auch den Euro-Wert drückten. Auch der Rückgang der Kernrate geht stark auf solche Sondereffekte zurück. Aber auch darüber hinaus zeigt der Trend nach unten. „Das merkliche Nachlassen des Preisauftriebs ist breit abgestützt“, sagte Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon. So setzte sich etwa bei den Nahrungs- und Genussmitteln der Abwärtstrend der vergangenen Monate fort. Im Monatsvergleich stagnierten die Lebensmittelpreise sogar.

Für die nächsten Monate zeichnet sich nun eine weiter sinkende Inflation ab. Im Oktober könnte es weiter auf rund 3% heruntergehen und im November könnte die 3-Prozent-Marke sogar unterschritten werden. Die Unsicherheit ist aber groß – was auch durch die stark verzerrenden Effekte der staatlichen Hilfsmaßnahmen bedingt ist. Die von der EZB angestrebten 2% werden absehbar aber kaum erreicht werden. „Die Inflationssorgen der EZB werden wohl erst einmal erhalten bleiben“, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

Die EZB dürfte die neuen Daten mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen, insbesondere den Rückgang der Kernrate. Diese sprechen tendenziell dagegen, dass es mit den Leitzinsen weiter nach oben geht, sondern eher dafür, dass die Notenbanker vorerst am aktuellen Zinsniveau festhalten. An den Märkten wird aber bereits verstärkt über Zinssenkungen spekuliert. Spaniens Zentralbankchef Pablo Hernández de Cos hatte unlängst im Interview der Börsen-Zeitung zwar gesagt, dass jetzt zunächst lange genug an den höheren Zinsen festgehalten werden müsse; zugleich hatte er aber gesagt, dass es „realistisch“ sei zu erwarten, dass bei sinkender Inflation die aktuell restriktiven Zinsen gesenkt werden (vgl. BZ vom 23. September).

Große Inflationsunterschiede

Ein besonderes Problem für die EZB sind auch die großen Inflationsunterschiede. Auch mancher Euro-Notenbanker sieht diese Heterogenität als Problem und Herausforderung für die einheitliche EZB-Geldpolitik. In den Niederlanden etwa ging die Teuerung von 3,4% auf jetzt –0,3% zurück – wegen massiver Basiseffekte bei den Gas- und Strompreisen. Dagegen liegt die Teuerung etwa in der Slowakei bei 8,9%

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