Konjunktur

Euro-Wirtschaft gibt Gas

Im Juli läuft der Konjunkturmotor auf Hochtouren. Der Einkaufsmanagerindex für Euroland kletterte auf ein 21-Jahreshoch, das deutsche Pendant gar auf einen Rekordwert. Belege, dass das kräftige Wachstum im zweiten Quartal sich fortsetzt.

Euro-Wirtschaft gibt Gas

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Zur Jahresmitte strahlt die Sonne über der Wirtschaft im Euroraum und auch deren größter Volkswirtschaft. Im zweiten Quartal dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach den Rückschlägen zu Jahresbeginn kräftig zugelegt haben. Und auch im eben angelaufenen dritten Vierteljahr wird sich die Aufholjagd fortsetzen, geht es nach den zuletzt veröffentlichten Stimmungsindikatoren. Zum Jahresende hin allerdings droht die rasante Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus die Erholung wieder abzuwürgen – erneute Restriktionen sind angesichts steigender Neuinfektionszahlen in einigen der Euro-Länder bereits wieder in Kraft getreten.

Am kommenden Freitag legen die Statistikämter Eurostat, Destatis, Insee und Istat ihre ersten Schätzungen für den Verlauf des zweiten Quartals vor. Insgesamt gesehen wird der Schwung diesmal vor allem von den Dienstleistern wie Gastronomie, Tourismus und Handel getragen, die im Zuge der Lockerungen nun kräftig zugelegt haben dürften. Mit Blick auf Deutschland erwartet Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen etwa, dass das Gastgewerbe den Zahlen der Reservierungsplattform Opentable zufolge die wirtschaftliche Aktivität nach Juni auch im Juli weiter gesteigert hat. Ähnliches dürfte auch für die anderen Dienstleistungssektoren gelten. „Selbst wenn sich die Erholung im August und September nicht fortsetzen würde, dürfte das reale BIP im dritten Quartal also noch einmal mindestens so stark zulegen wie im zweiten Quartal und damit seinem Vorkrisenniveau nahe kommen“, erwartet Solveen. Im zweiten Quartal gebremst haben dürfte die Industrie, die wegen der Knappheiten bei Vorprodukten wie etwa Halbleitern die Auftragsflut nicht abzuarbeiten vermag. „Damit verschiebt sich das Wachstum teilweise in das zweite Halbjahr und den Beginn des nächsten Jahres“, heißt es bei der Helaba.

Ökonomen erwarten, dass das BIP im Euroraum in den drei Monaten bis Juni um 1,6% im Quartalsvergleich zugelegt hat nach dem Rückgang um 0,3% im ersten Vierteljahr. Die Prognose für das deutsche BIP steht auf einem Anstieg um 2,1% nach dem Minus von 1,8%. Frankreichs BIP wird mit einem Plus von 0,8% avisiert, im ersten Quartal waren es –0,1%. In Italien soll ein Wachstum von 1,4% dem Zuwachs von 0,1% zu Jahresbeginn folgen.

Ein Beleg für die laufende kräftige Erholung im Euroraum und in deren größten Volkswirtschaften sind unter anderem die Einkaufsmanagerindizes (PMI). Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende PMI Composite legte vorläufigen Daten zufolge im Juli um 1,1 auf 60,6 Punkte zu und liegt damit deutlich über der Marke von 50 Zählern – Werte darüber signalisieren Wachstum (siehe Grafik). Dies ist zudem der höchste Stand seit 21 Jahren. Ökonomen hatten das vierte Plus in Folge erwartet, aber nur auf einen Wert von 60,0 Punkten. „Angesichts der Lockerungen der Corona-Re­striktionen genießt die Eurozone einen sommerlichen Wachstumsschub“, kommentierte IHS-Markit-Chefökonom Chris Williamson. Während die Geschäfte im Servicesektor so gut liefen wie zuletzt vor fünfzehn Jahren haben die anhaltenden Lieferengpässe die Industrie gebremst – wobei das Barometer für die Indus­trie selbst nach dem Minus von 1 auf 62,6 Punkte immer noch ein besseres Bild der Lage zeichnet als die offiziellen Zahlen zur Industrieproduktion, wie Solveen betont. Denn diese bewegt sich seit Anfang des Jahres angesichts des Mangels an Vorprodukten trotz einer lebhaften Nachfrage seitwärts. Auch wenn die entsprechende Komponente im Juli zwar den zweiten leichten Anstieg in Folge zeigte, berichte immer noch eine große Mehrheit der Unternehmen von noch längeren Lieferzeiten. Auch lassen die Lieferverzögerungen die Kosten der Unternehmen „weiter in die Höhe schnellen“, betonte Willliamson. Folge sei „eine fast rekordverdächtig Verteuerung der durchschnittlichen Verkaufspreise für Güter und Dienstleistungen, was sich in den kommenden Monaten wahrscheinlich in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen wird“. Aktuell läuft die Diskussion heiß, ob die steigenden Inflationsraten wirklich nur temporärer Natur sind, wie derzeit noch von der EZB betont wird (siehe auch unten stehender Bericht).

Die Entwicklung der beiden Euro-Schwergewichte Deutschland und Frankreich verlief im Juli unterschiedlich: „Die deutsche Wirtschaft befand sich im Juli weiter auf der Überholspur“, sagte IHS-Markit-Experte Phil Smith. Angekurbelt von einem wiedererstarkten Dienstleistungssektor sei der PMI Composite um 2,4 auf 62,5 Punkte gesprungen. Die ist der höchste Stand seit Beginn der Zeitreihe im Januar 1998. Aber auch die Industrie konnte „nochmals obendraufsatteln“, betonte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Anders sah es hingegen in Frankreich aus, wo sowohl der PMI Composite als auch beide Teilindizes – wenn auch auf hohem Niveau – nachgaben.