Unctad-Weltinvestitionsbericht

Europa schwächelt bei Direktinvestitionen

Investoren scheinen einen Bogen um Deutschland zu machen. Das zeigt der Unctad-Investitionsbericht für 2024. Die aktuelle politische Entwicklung dürfte für weitere Verunsicherung sorgen.

Europa schwächelt bei Direktinvestitionen

Europa schwächelt bei Direktinvestitionen

Unctad kritisiert globale Clusterbildung – Deutschland wird umgangen

lz Frankfurt

Die UN-Handelsorganisation Unctad meldet eine zunehmende Verlangsamung der produktiven Kapitalströme: Zwar seien die ausländischen Direktinvestitionen um 4% gestiegen, wie sie etwa in Kapitalbeteiligungen und Projekten Ausdruck finden, doch die weiter gefassten globalen Kapitalströme sind um 11% gefallen – das zweite Jahr in Folge.

Europa schwächelt sogar bei den Direktinvestitionen. Sie gingen von 221 Mrd. Dollar auf 198 Mrd. Dollar zurück. Allerdings waren hier vor allem die Staaten außerhalb der EU betroffen. In der EU selber erhöhte sich das Investitionsvolumen von 148 auf 268 Mrd. Dollar.

Besonders hart getroffen hat es gleichwohl Deutschland, wo die Direktinvestitionszuflüsse den Daten zufolge um knapp 90% zurückgegangen sind; auch die von Deutschen im Ausland investierten Gelder reduzierten sich um 50,7%. Ökonomen der Unctad führen dies auf die anhaltende Standort- und Wirtschaftsschwäche des Landes zurück, denn anderswo in der EU legten sowohl Zu- wie Abflüsse eher zu.

Dreh- und Angelpunkt bei Investitionen ist im vergangenen Jahr weiterhin Asien gewesen, wobei hier der Löwenanteil der Auslandsinvestitionen von Ost- und Südost-Asien abgesahnt worden ist, also vorwiegend nach China und Indien gingen. Auch für Nordamerika zeigten Investoren im vergangenen Jahr noch Zuversicht: Die Zuflüsse erhöhten sich von 280 auf 343 Mrd. Dollar.

In den Entwicklungsländern sind die Investitionszuflüsse stabil geblieben. Doch dahinter verberge sich eine tiefere Krise, heißt es im Bericht: In zu vielen Volkswirtschaften stagniere das Kapital oder gehe ganz an den wichtigsten Sektoren wie Infrastruktur, Energie und Technologie vorbei. „Zu viele Volkswirtschaften bleiben zurück, nicht weil es ihnen an Potenzial fehlt, sondern weil das System Kapital immer noch dorthin schickt, wo es am einfachsten ist, und nicht dorthin, wo es gebraucht wird“, sagte die UN-Generalsekretärin für Handel und Entwicklung, Rebeca Grynspan.

Insgesamt, so Gynspan, hätten multinationale Unternehmen angesichts der schon im Jahr 2024 vorhandenen geopolitischen Spannungen, der Handelsfragmentierung und der Verschärfung des industriepolitischen Wettbewerbs wegen der damit einhergehenden erhöhten finanziellen Risiken und der Unsicherheiten dem kurzfristigen Risikomanagement den Vorrang vor langfristigen Strategien gegeben.

Mehr Digital-Investitionen

Die ausländischen Direktinvestitionen in die digitale Wirtschaft stiegen den Daten zufolge um 14%. Das meiste Geld erhalten die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Produktionsanlagen, Anbieter digitaler Dienstleistungen und die Halbleiterindustrie. Allerdings bleibe dieses Wachstum stark konzentriert: Auf zehn Länder entfielen 80% aller neuen digitalen Projekte, sodass viele Entwicklungsländer aufgrund anhaltender Infrastruktur-, Regulierungs- und Kompetenzlücken vom digitalen Boom ausgeschlossen blieben.

Die Unctad warnt, dass das derzeitige Investitionsniveau weit hinter dem weltweiten Bedarf zurückbleibt. Allein um die Finanzierungslücke bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) zu schließen, wären in den Entwicklungsländern schätzungsweise 4 Bill. US-Dollar pro Jahr erforderlich – ein Ziel, das in immer weitere Ferne rückt.

Auch in eigener Sache steht die Unctad vor Problemen und muss sich auf „schmerzhafte“ Kürzungen einstellen, weil Geberländer – gemeint sind wohl die USA sich zurückziehen. Sie sei besorgt, erklärte Grynspan, dass die Arbeit der Unctad behindert werde, während die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen steige, da die Länder Informationen über die Auswirkungen der von US-Präsident Donald Trump verhängten umfassenden Zölle suchten. Für den Haushalt 2026 hätten sie und ihr Team vorgeschlagen, 70 Stellen zu streichen. Das sei ein Abbau von insgesamt 500 Stellen, darunter Berater, von denen etwa 400 fest angestellt seien.

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