„Europa und Deutschland müssen digital und technologisch an ihrer Souveränität arbeiten“
Im Interview: Ralph Brinkhaus
„Europa und Deutschland müssen an ihrer Souveränität arbeiten“
Ein modernisierter Staat mit mehr „Inputorientierung“ soll Deutschland voranbringen
Digitalisierung und Staatsmodernisierung hat die schwarz-rote Regierung zu einer ihrer Kernaufgaben gemacht und baut dafür sogar ein eigenes Ministerium auf. Ralph Brinkhaus, Sprecher und Leiter der Arbeitsgruppe Digitales und Staatsmodernisierung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagt im Interview, wie das Parlament das Vorhaben flankieren kann.
Herr Brinkhaus, Sie sind Sprecher und Leiter der Arbeitsgruppe Digitales und Staatsmodernisierung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ist unsere Staatsstruktur ausreichend resilient und krisenfest?
Unsere Staatsstruktur ist ganz klar nicht ausreichend resilient und krisenfest. Und das hat viele Ursachen: Komplizierte Vorschriften, langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse, umständliche Vergabeverfahren und eine in Teilen ineffiziente öffentliche Beschaffung lähmen mittlerweile an zu vielen Stellen das Land. Hinzu kommt eine Politik, die viel auf „Inputorientierung“ setzt. Das heißt, die Antwort auf fast jede Herausforderung ist: Wir brauchen mehr Geld, mehr Personal und vor allem neue Gesetze. Kreativität für andere Lösungen bleibt dabei auf der Strecke. Inwieweit Maßnahmen wie neue Gesetze dann auch tatsächlich wirken, wird zu wenig überprüft. Verwaltung ist zu stark in Silos organisiert – das Zusammenspiel zwischen einzelnen Behörden und Ministerien, aber auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss dringend verbessert werden. Verwaltung ist auch zu wenig digital. Verwaltung ist zu sehr nach internen Strukturen und nicht am Bürger ausgerichtet.
Sie haben „100 Vorschläge für den Neustaat“ gemacht. Diese reichen für mindestens eine Dekade. Welche davon sollte die Koalition in dieser Legislaturperiode unbedingt umsetzen?
Der wichtigste Punkt – und das ist der eigentliche Schlüssel für nachhaltigen Fortschritt – ist die Ziel- und Wirkungsorientierung in Politik und Verwaltung. Wir müssen weg vom Inputdenken – nach dem Motto „viel hilft viel“ – hin zu einer Steuerung, die sich an klaren Zielen und messbaren Ergebnissen orientiert. Und wir müssen anders mit den Menschen umgehen, die für den Staat arbeiten: mehr Freiraum, mehr Vertrauen, eine bessere Fehlerkultur und mehr Diversität in den Ausbildungen. Wir haben zum Beispiel in den Ministerien viele wirklich gute Juristen, aber zu wenig gute BWLer, Sozialwissenschaftler, Quereinsteiger und Menschen, die einfach einen anderen Zugang zu Verwaltung haben könnten. Kurz: Wir brauchen eine andere „Unternehmens- und Führungskultur“.
Zu einem modernen und funktionsfähigen Staat gehört auch gute Gesetzgebung. Wie wollen die Regierungsfraktionen ihre Arbeit verbessern?
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, Gesetze ziel- und wirkungsorientierter zu machen. Den Gesetzgebungsprozess wollen wir stärker digitalisieren. Wir brauchen Praxistests, bevor die Gesetze verabschiedet werden. Neben der klassischen Verbändeanhörung wollen wir mehr Fachleute aus relevanten Branchen, Wissenschaftler und Praktiker aus der Umsetzung frühzeitig einbinden. Wir wollen über den Tellerrand schauen und von den Lösungen und Erfahrungen anderer Länder lernen.
Die geopolitische Lage ist für Deutschland und Europa gefährlicher geworden. Müssen wir digital und technologisch stärker auf eigenen Füßen stehen?
Europa und Deutschland – in der Reihenfolge – müssen digital und technologisch an ihrer Souveränität arbeiten. Das gilt für die klassische Infrastruktur, das gilt für die Cloudstrukturen, das gilt aber auch für Software und Plattformen. Souverän heißt im Übrigen nicht autark. Wir müssen nicht alles allein machen. Aber wir sollten nach den Erfahrungen mit Russland im Energiebereich nie wieder in irgendeinem Feld von einem Land oder von einer Region abhängig sein.
Die Bundesregierung baute ein neues Digitalministerium auf. Worauf sollte sie achten?
Erstens: Es ist ein Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. Ich hätte den Titel gerne umgekehrt gehabt. Wir werden deswegen sehr genau darauf achten, dass gerade die Staatsmodernisierung „genug Sonne“ bekommt. Und zweitens: Digitales und Staatsmodernisierung liegen zwar bei Minister Karsten Wildberger, bleiben aber Querschnittsaufgaben und müssen daher von jedem Ministerium gelebt werden. Ganz besonders aber vom Bundeskanzleramt. Im Zweifel muss Friedrich Merz, wenn es nicht läuft, da auch einmal Gebrauch von seiner Richtlinienkompetenz machen.
Die Wirtschaft wünscht sich bessere Rahmenbedingungen. Was sollte der moderne Staat liefern:
Alles das, was ich schon gesagt habe. Aber vor allem: weniger Misstrauen. Ich bin sehr für Regeln und Kontrollen, aber diese müssen zielgerichtet und konsistent sein und der Grundannahme unterliegen, dass die allermeisten Akteure in der Wirtschaft es richtig machen wollen.
Die Fragen stellt Angela Wefers.