Extragehälter im Briefumschlag
Korruption gehört augenscheinlich zum Berufsbild eines spanischen Politikers. Nicht umsonst herrscht unter den Spaniern der Eindruck vor, wer Politiker werde, wolle sich bloß auf schnelle Art und Weise die Taschen füllen. Derzeit wimmelt es an allen Ecken und Enden von Skandalen um mutmaßliche Bestechung, abkassiertes Schwarzgeld oder sonstige nicht lupenreine Gefälligkeiten. Und fast keine Partei bleibt ausgespart.Besonders brisant für Spaniens konservativen Regierungschef Mariano Rajoy: Nach den jüngsten Affären um maßgeschneiderte Anzüge und einen offenbar groß angelegten Bestechungs- und Spendengeldskandal namens “Gürtel” überschattet nun neues Ungemach seine Volkspartei Partido Popular (PP). Hochrangige Politiker sollen in Briefumschlägen Extragehälter aus noch ungeklärter Quelle empfangen und möglicherweise am Fiskus vorbeigeschleust haben. Der ehemalige PP-Schatzmeister Luis Bárcenas steht im Mittelpunkt dieser jüngsten Verdächtigungen, die auch mögliche Schwarzgeldkonten in Steuerparadiesen umfassen. Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Aktuelle Regierungsmitglieder oder PP-Spitzenfunktionäre könnten ebenfalls Umschläge angenommen haben.Der neue Skandal bestimmt die Schlagzeilen und lenkt von anderen wichtigen Dingen wie dem Management der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise ab. Rajoys Reform-Elan wird aber auch ohne die imageschädigenden Affären ausgebremst. Die sozialistenfreundliche Tageszeitung “El País” hat kürzlich ausgerechnet, dass 40 % seiner für 2012 angekündigten Reformen noch in der Luft hängen. *Sie könnte direkt als Spaniens “Eiserne Lady” in die Annalen eingehen: María Dolores de Cospedal fährt als Präsidentin der schuldengeplagten spanischen Region Castilla-La Mancha einen rigorosen Sparkurs, von dem sich andere finanzklamme Regionen eine Scheibe abschneiden könnten. Als Erste der 17 Regionalregierungen schaffte Castilla-La Mancha das Fixgehalt für 42 der 49 Abgeordneten des Regionalparlaments ab. Damit will Cospedal, die als Generalsekretärin des PP zugleich Rajoys rechte Hand ist, rund 1,5 Mill. Euro einsparen. Die betroffenen 42 Abgeordneten kassieren seit Jahresbeginn nicht mehr das fixe Monatssalär von 3 658 Euro. Stattdessen werden sie nun nur noch für die tatsächlichen Sitzungstage entschädigt und müssen sich ihr Zubrot in den alten Berufen oder neuen Abenteuern verdienen.Cospedal – selbst in der Kritik wegen mutmaßlichen Jobgeschacheres für ihren Mann – trifft damit den Zeitgeist. Die Kosten für die spanienweit 1 268 Abgeordneten der Regionalparlamente erreichen knapp 69 Mill. Euro pro Jahr. Und immer mehr Spanier fragen sich, ob dies gerechtfertigt oder nötig ist. Nach einer aktuellen Umfrage des staatlichen Instituts für Gesellschaftsforschung, Centro de Investigaciones Sociológicas, halten die Befragten Regionalpolitiker schon für das drittgrößte Problem nach der Arbeitslosigkeit und allgemeinen wirtschaftlichen Sorgen. *Pablo Isla gehört in diesen schwierigen Zeiten zu den meistbewunderten Topmanagern. Auch deshalb tauchte der Exekutivpräsident und Chief Executive Officer der Modekette Inditex (“Zara”) 2012 erstmals in der Liste der weltweit 30 besten Führungskräfte der US-Finanzzeitschrift “Barron’s” auf. Seit 2005 lenkt der 48-Jährige die Geschicke der mittlerweile weltweit größten und aktuell 66 Mrd. Euro teuren Modekette. Seitdem haben “Zara” und die sieben anderen Marken alles andere als zu wachsen aufgehört. Isla, der 2011 von Inditex-Gründer und Hauptaktionär Amancio Ortega auch den Präsidentenstuhl angedient bekam, verdoppelte Umsatz, Gewinn und die Zahl der Mitarbeiter. Die Marken sind nunmehr auf allen Kontinenten in fast 90 Ländern präsent. Das Geschäftsjahr 2012, das Ende Januar endet, wird wohl mit neuen Rekordzahlen aufwarten. Die Modeaktie zeigt trotz der erzielten satten Rendite von fast 70 % im abgelaufenen Börsenjahr noch keine Schwäche. Und Islas Philosophie, dass es irgendwo immer Wachstum gibt, geht – noch immer – auf.