EZB beschließt womöglich vorerst letzte Zinssenkung
Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die EZB die Leitzinsen. Wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mitteilte, fällt der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz um 25 Basispunkte auf 2,0%. Damit ist ein Niveau erreicht, das viele Ökonomen als neutral einstufen – also weder stimulierend noch abbremsend für die wirtschaftliche Aktivität in der Eurozone.
Die EZB veröffentlichte zudem neue Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum. Sie rechnet nun mit weniger Inflation. Für das laufende Jahr erwarten sie 2,0% im Durchschnitt. Das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als bei der Vorhersage im März. Für die kommenden beiden Jahre lautet die Prognose 1,6% und 2,0% (zuvor 1,9 und 2,0%). Als Ursachen für die Abwärtsrevision nennt die EZB in erster Linie niedrigere Energiepreise und den stärkeren Euro. Im Mai ist die Inflation mit 1,9% nach einer Erstschätzung von Eurostat unter den EZB-Zielwert gefallen.
Die Projektion für das Wirtschaftswachstum bleibt ziemlich stabil. Für das laufende Jahr erwarten die Ökonomen weiterhin ein Wachstum von 0,9%. Für 2026 rechnen sie nun mit 1,1% nach bisher 1,2%. Die Prognose für 2027 liegt weiterhin bei 1,3%.
Zinspause könnte anstehen
Mit der niedrigeren Projektion für die Inflation steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Leitzinsen in diesem Jahr noch weiter fallen werden. Viele Ökonomen rechnen jedoch damit, dass im Juli zunächst mal eine Zinspause anstehen wird, nach nun 7 Lockerungen in Folge. „Es dürfte eine geldpolitische Sommerpause folgen, zumindest bis im Herbst aktualisierte Projektionen zu Wachstum und Inflation vorliegen“, sagte Thomas Haas, Volkswirt beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Bis dahin dürfte die EZB auch einen besseren Einblick darin haben, wie sich der Zollkonflikt der USA mit weiten Teilen der Welt auf die ökonomischen Daten der Eurozone auswirken wird. Von diesen Effekten dürfte viel davon abhängen, wie groß der Spielraum der Notenbank für weitere Zinssenkungen noch ist.
2026 wieder Zinserhöhungen?
Viele Volkswirte rechnen derzeit mit einer letzten Lockerung um 25 Basispunkte in diesem Zinszyklus im September. Dies deckt sich ungefähr auch mit den Erwartungen an den Finanzmärkten. Nach Einschätzung von UBS-Ökonom Reinhard Cluse stehen dann nach einer Pause wieder Zinserhöhungen an. „Wir glauben, dass die EZB die Zinsen Ende 2026 erneut anheben muss, um dem steigenden Inflationsdruck im Jahr 2027 entgegenzuwirken, da der Arbeitsmarkt in der Eurozone im Zuge des demografischen Wandels einer strukturellen Anspannung unterliegt“, sagt er. Er rechnet mit zwei Zinserhöhungen von jeweils 25 Basispunkten im September und Dezember 2026 auf 2,25%. Damit wäre die Geldpolitik nach der Einschätzung der meisten Volkswirte wieder leicht restriktiv.
Es gibt jedoch auch Ökonomen, die noch zwei Zinssenkungen erwarten, ehe eine längere Zinspause ansteht. Dazu zählt etwa Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Auf der anderen Seite gibt es Analysten, die derzeit keinen Grund für weitere Lockerungen sehen. „Niedrigere Energiepreise, bevorstehende fiskalische Impulse und geringere Risiken einer globalen Rezession rechtfertigen unserer Ansicht nach eine abwartende Haltung hinsichtlich weiterer geldpolitischer Maßnahmen“, sagte Laura Cooper, Head of Macro Credit und Anlagestrategin beim Vermögensverwalter Nuveen.