Geldpolitik

EZB entfernt sich von weiterer Zinssenkung

Die EZB verlängert ihre Zinspause und hebt ihre Wachstums- und Inflationsprognose an. Eine Zinssenkung 2026 wird immer unwahrscheinlicher.

EZB entfernt sich von weiterer Zinssenkung

Die EZB hält die Leitzinsen im Euroraum das vierte Mal in Folge konstant und steuert auf eine lange Zinspause zu. „Der EZB-Rat hat heute beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB unverändert zu belassen. Seine aktualisierte Beurteilung bestätigt erneut, dass sich die Inflation auf mittlere Sicht beim Zielwert von 2% stabilisieren dürfte“, teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mit. Der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz verharrt damit bei 2%.

Im Rahmen des Zinsentscheides veröffentlichte die EZB auch aktualisierte Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum im Euroraum. Von ihnen geht eine gewisse Signalwirkung für den geldpolitischen Kurs aus, da viele EZB-Ratsmitglieder die Bedeutung dieser Schätzungen betonen.

Mehr Wachstum erhöht die Inflation

Wie aus den neuen Projektionen hervorgeht, blicken die Ökonomen des Eurosystems optimistischer auf die Entwicklung der Euro-Wirtschaft. Sie heben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 1,2% an. Die Vorhersage für 2027 liegt nun bei 1,4%, nach zuvor 1,3%. Erstmals enthält die Projektion auch Zahlen für 2028. Hier veranschlagt die EZB 1,4%.

Mit den verbesserten Konjunktur-Aussichten sinkt auch das Risiko einer unerwünscht niedrigen Inflation im kommenden Jahr. Für 2026 sagt die EZB nun eine Inflation von 1,9% aus, nach zuvor 1,7%. Die Verschiebung des Emissionshandelssystems ETS2 dämpft wiederum die Inflation im Jahr 2027. Hier lautet die Projektion 1,8% (zuvor 1,9%). Die Vorhersage für 2028 beträgt 2,0%.

Debatte um Zinserhöhung

„Sofern keine neuen Schocks, zum Beispiel durch die US-Handelspolitik oder die Volatilität der Finanzmärkte, eintreten, könnte sich das Zeitfenster für eine weitere Zinssenkung der EZB schnell schließen“, meint Michael Krautzberger, CIO Public Markets bei Allianz Global Investors. An den Finanzmärkten wird inzwischen nicht mehr damit gerechnet, dass die EZB 2026 die Geldpolitik noch einmal lockert aus Sorge vor einer zu niedrigen Inflation im Euroraum.

Stattdessen hat sich die Debatte dahin verlagert, ob der nächste Zinsschritt der EZB eine Zinserhöhung ist. Die Diskussion wurde durch ein Interview der EZB-Direktorin Isabel Schnabel mit „Bloomberg“ Anfang des Monats angeheizt. Dort sagte sie, dass sie mit einer längeren Phase stabiler Leitzinsen rechnet und der nächste Schritt dann durchaus eine Straffung der Geldpolitik sein könnte.

„Wir rechnen schon seit Längerem damit, dass ein Anstieg der Inflation in der Eurozone, der durch ein höheres Lohnwachstum angetrieben wird, die EZB letztendlich dazu nötigen wird, ihren Einlagensatz schrittweise von 2,0 auf 3,0% anzuheben“, sagt Felix Schmidt, Volkswirt bei Berenberg. Allerdings erwartet er die Zinserhöhungen ab 2027 und nicht schon im kommenden Jahr. „Die zuletzt starken Marktbewegungen als Reaktion auf das Interview mit Schnabel scheinen daher etwas übertrieben.“

Fokus auf der Lohnentwicklung

Die EZB erwartet eine Abschwächung des Lohnwachstums. Dies ist eine wichtige Säule für ihre Inflationsprognose. Die Teuerung im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor war im November mit 3,5% weiterhin deutlich erhöht. Ein niedrigeres Lohnwachstum würde die Inflation in diesem Sektor spürbar abschwächen und so die Gesamtrate drücken. Diese lag im November mit 2,1% fast exakt auf dem EZB-Zielwert von 2,0%. Entgegen der Schnellschätzung ist die Inflation nicht auf 2,2% gestiegen, Eurostat revidierte die Zahl in dieser Woche.

Manche Ökonomen zweifeln an der EZB-Prognose zu den Löhnen. Sie führen den weiterhin robusten Arbeitsmarkt, den demografischen Wandel und die besser laufende Konjunktur als Argumente an, weshalb die Löhne stärker zunehmen dürften als von der Notenbank angenommen. „Springt der Konjunkturmotor an, wird es für die EZB schwieriger, disinflationäre Risiken zu betonen. Aufwärtsrisiken für den Inflationsausblick sind nicht auszuschließen“, sagt Gunter Deuber, Chefvolkswirt der Raiffeisen Bank International. Im Rahmen der neuen Projektionen weist die EZB auch darauf hin, dass die Dienstleistungsinflation 2026 höher ausfallen dürfte als bislang von ihr angenommen.

Hohe Unsicherheit

Insgesamt bleibt die Unsicherheit beim geldpolitischen Ausblick jedoch bestehen. „Aufgrund der schwierigen geopolitischen Lage herrscht kein Mangel an Risiken, die den Ausblick ändern könnten“, sagt KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher. „Besonders die Stärke des Euro gegenüber dem US-Dollar, aber auch dem chinesischen Renminbi, und ein starker Anstieg chinesischer Importe, sind eine Belastung und könnten zu einem späteren Zeitpunkt eine geldpolitische Reaktion notwendig machen.“ Auch könnte die Belebung in Deutschland schwächer als erwartet ausfallen, mahnt Schumacher, oder es wieder zu einem Aufflammen des Handelskonflikts mit den USA kommen.

Annalisa Piazza, Anleihe-Analystin bei MFS Investment Management, betont ebenfalls die Abwärtsrisiken für Inflation und Wirtschaftswachstum. „Aktuelle Daten, wie beispielsweise der Rückgang der deutschen Exporte in die USA und nach China, unterstreichen die Fragilität der Handelsdynamik“, sagt sie. „Eine Zinssenkung Anfang 2026 ist zwar nicht das Basisszenario, könnte aber bei einem Nachlassen des Wirtschaftswachstums eintreten.“