Geldpolitik

EZB-Falken heizen Spekulationen auf Zinserhöhungen an

Die EZB hat weitere Zinserhöhungen avisiert. Tempo und Ausmaß sind aber unklar – und umstritten. Die Hardliner im EZB-Rat machen nun Druck. Das aktuell an den Märkten eingepreiste Zinsniveau reicht demnach vielleicht nicht aus.

EZB-Falken heizen Spekulationen auf Zinserhöhungen an

EZB-Falken heizen Spekulationen auf Zinserhöhungen an

Notenbanker Kazaks: Anhebungen über das an den Märkten eingepreiste Niveau hinaus möglich – Lane bremst etwas

ms Frankfurt

Die Hardliner im EZB-Rat haben die Debatte über weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) gehörig angeheizt – womöglich auch über das hinaus, was derzeit die meisten Marktteilnehmer und Volkswirte erwarten. Vor allem der lettische Zentralbankchef Martins Kazaks ließ aufhorchen mit der Aussage, dass er noch nicht auf ein Ende der Zinserhöhungen im Juli wetten würde. Dagegen bremste EZB-Chefvolkswirt Philip Lane die Zinsspekulationen eher ein wenig, indem er sagte, dass es keinen vorgezeichneten Zinspfad gebe.

Die Aussagen deuten an, dass es weiter unterschiedliche Ansichten im EZB-Rat darüber gibt, wie weit die Leitzinsen noch steigen müssen. In der vergangenen Woche hatten die Euro-Notenbanker zwar ihre Schlüsselsätze erneut angehoben, dabei das Tempo aber von zuletzt 50 auf jetzt 25 Basispunkte gedrosselt. Die Hardliner hatten dem auch zugestimmt, weil zugleich das Tempo beim Bilanzabbau erhöht wurde. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte gesagt, dass dies mutmaßlich nicht der letzte Zinsschritt gewesen sein dürfte. Ansonsten ließ sich der EZB-Rat aber kaum in die Karten schauen. Die meisten Beobachter gehen nun von zwei letzten Zinsschritten im Juni und Juli um jeweils 25 Basispunkte aus. Damit läge der Zinsgipfel beim aktuell wichtigen Einlagenzins bei 3,75%.

EZB-Ratsmitglied Kazaks warnte nun davor, dieses Szenario als gegeben zu betrachten. „Ich denke nicht, dass das schon klar ist”, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Wir haben noch einiges an Wegstrecke vor uns, und zur Eindämmung der Inflation werden noch einige Zinsschritte nötig sein.” Marktwetten auf Zinssenkungen im nächsten Frühjahr bezeichnete er als „erheblich verfrüht“.

In eine ähnliche Richtung äußerte sich am Dienstag auch der slowakische Zentralbankchef Peter Kažimír in einem Blogbeitrag: „Basierend auf den heutigen Daten werden wir die Zinssätze länger als erwartet erhöhen müssen“, erklärte er und fügte hinzu: „Unsere September-Prognose wird das früheste Datum sein, um zu beantworten, wie effektiv unsere Maßnahmen sind und ob sich die Inflation in Richtung des Ziels bewegt.“ Seit Juli vergangenen Jahres hat die EZB ihre Leitzinsen um insgesamt 375 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie. Die Inflation ist zuletzt deutlich zurückgegangen, mit 7,0% liegt sie aber immer noch weit oberhalb des EZB-Ziels von 2,0%. Zugleich schwächelt die Euro-Wirtschaft.

Der Geldpolitikexperte und frühere Wirtschaftsweise Volker Wieland hatte vergangene Woche im Interview der Börsen-Zeitung anlässlich der EZB-Sitzung gesagt, dass es womöglich einen Einlagezins von 4% oder 5% brauche, um die Inflation absehbar wieder auf 2,0% zu drücken (vgl. BZ vom 5. Mai). Grundsätzlicher hatte dann zum Wochenausklang auch der Chef der Zentralbank der Zentralbanken BIZ, Agustín Carstens, im Interview der Börsen-Zeitung einen beharrlichen Kampf der Zentralbanken gegen die Inflation gefordert (vgl. BZ vom 6. Mai).

„Der Kampf gegen die hohe Inflation ist noch nicht gewonnen“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. „Die Inflationsrate ist in den vergangenen Monaten zwar zurückgegangen, aber sie bleibt immer noch viel zu hoch.“ Mit Blick auf die Entscheidung der vergangenen Woche sagte er: „Ich hätte mir auch einen Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten vorstellen können. Aber wir haben ja bereits weitere Zinsschritte angekündigt.“ Wichtig sei die Botschaft: „Wir sind noch nicht am Ende: Die Zinsen sollten noch weiter steigen.“

Risiken abwägen

EZB-Chefvolkswirt Lane äußerte sich indes am Dienstag etwas vorsichtiger. Es gelte, sich in Zeiten der Unsicherheit von „Sitzung zu Sitzung“ zu orientieren, sagte er in Berlin auf einer Veranstaltung des Jacques Delors Centre. Die Währungshüter müssten Abwärts- und Aufwärtsrisiken sorgfältig abwägen. „Wir sind dabei von den Daten abhängig“, so Lane. Dabei sei kein Zinspfad vorgezeichnet. Es gehe darum, die Zinsen auf ein gewisses Niveau zu bringen und sie dann dort so lange wie nötig zu halten.

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