Geldpolitik

EZB-Granden ringen um weiteren Zinskurs

Im Kampf gegen die Rekordinflation hat die EZB vergangenen Donnerstag ihre Leitzinsen so stark angehoben wie nie. Aber jetzt tobt bereits eine Debatte, wie es weitergeht – und die Meinungen gehen teils merklich auseinander.

EZB-Granden ringen um weiteren Zinskurs

ms Frankfurt

Unmittelbar nach der Rekord-Zinserhöhung der EZB vergangene Woche tobt bereits eine in­tensive Debatte über den weiteren Zinskurs – wobei die Meinungen teils merklich auseinandergehen. So forderte Bundesbankpräsident Joachim Nagel am Wochenende im Kampf ge­gen die Inflation weitere kräftige Zinserhöhungen. Dagegen mahnte unter anderem Portugals Notenbankchef Mario Centeno zur Vorsicht. Das Ifo-Institut geht nun davon, dass der Euro-Leitzins von aktuell 1,25% auf 4,0% steigen wird – deutlich höher als viele Beobachter noch erwarten.

Erwartungen verankern

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangenen Donnerstag die bisher größte Zinsanhebung seit Einführung des Euro beschlossen. Die Notenbanker um EZB-Chefin Chris­tine Lagarde hoben den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25% an; der Einlagenzins kletterte von 0% auf 0,75%. Zugleich stellten sie weitere Anhebungen in Aussicht. Hintergrund ist die hartnäckige Rekord­inflation. Die Teuerungsrate ist im August auf 9,1% gestiegen. Die EZB strebt mittelfristig 2,0% an.

„Der Schritt vom Donnerstag war ein deutliches Zeichen, und es müssen, wenn das Inflationsbild so bleibt, weitere deutliche Schritte folgen“, sagte Bundesbankchef Nagel nun am Sonntag im Interview mit dem Deutschlandfunk. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass es geringere Wachstumsraten oder eine Rezession geben werde. „Aber im Kern geht es darum, dass stabile Preise am Ende viel wichtiger sind für mittelfristiges, langfristiges Wachstum und [einen] guten Wirtschaftsausblick für den Euroraum“, so Nagel. EZB-Vize Luis de Guindos sagte am Montag, dass es bei der kräftigen Zinserhöhung darum gegangen sei, die Inflationserwartungen zu verankern.

Zum Umfang weiterer Schritte wollte sich Nagel nicht äußern. Er verwies darauf, dass die EZB datenabhängig agiere. Dem Vernehmen nach sind die Notenbanker auch bei der Sitzung im Oktober zu einem weiteren großen Zinsschritt bereit, wenn der Inflationsausblick dies rechtfertigt. Ihren Höchststand könnte die Inflation nach Ansicht von Nagel im Dezember erreichen – mit möglicherweise mehr als 10%.

Dagegen sagte Portugals Notenbankchef Centeno zwar, dass die Entscheidung, den Straffungskurs zu beschleunigen, „sehr wichtig“ gewesen sei. Die EZB müsse jedoch „berechenbar bleiben“, mahnte er. Die schnellere Zinsnormalisierung „be­deutet nicht, dass wir uns in Richtung eines höheren Endniveaus bewegen“, sagte Centeno im Interview mit Bloomberg News. Centeno zählt im EZB-Rat zu den „Tauben“, die eher für einen lockereren Kurs plädieren. Maltas Notenbankchef Edward Scicluna, eine weitere Taube im Rat, sagte im CNBC-Interview, dass künftige Zinserhöhungen geringer ausfallen könnten als 75 Punkte.

Das Münchener Ifo-Institut prognostiziert unterdessen wegen der hohen Inflation Zinserhöhungen bis auf ein Niveau von 4,0%, wie Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Montag in Berlin bei der Vorstellung der neuen Wirtschaftsprognosen der Forscher ausführte. Angesichts einer erwarteten Teuerungsrate von 8% oder 9% bliebe dann aber immer noch ein negativer Realzins übrig, der die Konjunktur unterstütze. Aus Sorge um die Euro-Wirtschaft gibt es auch reichlich Kritik am Zinserhöhungskurs der EZB.

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