Fed erschließt während Shutdown neue Informationsquellen
Fed erschließt während Shutdown neue Informationsquellen
Fed erschließt im Shutdown neue Informationsquellen
Chicago-Fed kombiniert eigene Modelle mit privaten Daten – Weitere Zinssenkungen sehr wahrscheinlich
det Washington
Das Timing könnte nicht schlechter sein: Drei Wochen vor einer entscheidenden Sitzung des Fed-Offenmartkausschusses (FOMC) tappt die US-Notenbank im Dunkeln. Am Tag nach dem ersten Verwaltungsstillstand in 7 Jahren blieb das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums geschlossen. Damit fehlt den Währungshütern mit Blick auf den nächsten Zinsbeschluss, zumindest vorerst, der wichtigste Datensatz. Auch sind andere Indikatoren ausgeblieben. Dazu zählen Erstanträge auf Arbeitslosengeld, Neuaufträge in der Industrie und Bauausgaben. Die Notenbank beweist aber Einfallsreichtum und stützt sich nun auf „alternative Indikatoren“.
Geringes Stellenwachstum
Der BLS-Bericht zum Jobmarkt ist im aktuellen Kontext der wichtigste, weil das Augenmerk der Fed derzeit dem Stellenwachstum gilt. Schließlich entstanden im August außerhalb des Agrarsektors nur 22.000 neue Jobs. Seit Jahresbeginn stellten Arbeitgeber im Monatsschnitt nur knapp 75.000 Mitarbeiter ein. Das ist der mit Abstand schwächste Wert seit dem Corona-Jahr 2020. Zwar weist die Teuerungsrate wieder eine leicht steigende Tendenz auf. Die Inflationsgefahr fällt aber aus der Sicht der Fed derzeit weniger ins Gewicht als der Abschwung am Arbeitsmarkt. Möglichen Störungen, die mit dem Shutdown nun zur Realität geworden sind, hat der Fed-Ableger in Chicago vorgegriffen.
Seit Juni veröffentlicht die regionale Notenbank den „Chicago Fed Unemployment Rate Nowcast“ (CHURN). Das Modell kombiniert wöchentlich aktualisierte Strömungen am Arbeitsmarkt, also den Netto-Effekt von Neueinstellungen und Stellenstreichungen, mit herkömmlichen Indikatoren. Als alternative Indikatoren verwendet die regionale Notenbank die Zahlen verschiedener privater Quellen. Unter ihnen der Wochenindex von Google Trends, der das Thema „Arbeitslosigkeit“ anhand von Suchergebnissen analysiert.
Private Quellen im Mittelpunkt
Die Modelle der Chicago-Fed berücksichtigen Zahlen des Arbeitsmarktdienstleisters Automatic Data Processing (ADP) und des Jobvermittlers Indeed. Gepaart werden diese mit Statistiken des BLS. So fließen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe und der Anteil der Empfänger staatlicher Hilfe an der gesamten Arbeitslosenquote ebenfalls in die Kalkulationen ein, wie auch der sogenannte JOLTS-Bericht des BLS, der die Zahl offener Stellen widerspiegelt. Dazu kommen die Zahlen des Forschungsinstituts Conference Board und die Prognosen des Bloomberg Economic Calendar.
Vor zwei Wochen kam die regionale Notenbank mit ihrem bisher detailliertesten Bericht, dem „Chicago Fed Labor Market Indicators“, auf den Markt. Demnach lag die „Entlassungsquote“ im September bei 2,1%. Diese stellt den Anteil der zuvor beschäftigten Personen dar, die ihren Job verloren oder aufgaben. Verbunden wird dieser mit der „Einstellungsquote“ von 45,2%. Die Quote repräsentiert den Anteil der Neueinstellungen an den zuvor Arbeitssuchenden an.
„Der Index verknüpft die Unterindikatoren und errechnete für September eine Arbeitslosenquote von 4,3%“, sagt Austan Goolsbee, Präsident des Fed-Ablegers in Chicago. Auch stellte der Bericht gegenüber dem bereits geringen Stellenwachstum vom August eine weitere Abschwächung fest. Das Problem bei den neuen Informationsquellen: Sowohl der CHURN als auch die neuen Zahlen sind teilweise auf Statistiken des BLS angewiesen.
Jobs-Bericht des BLS entscheidend
Die Tatsache, dass die alternativen Daten auch amtliche Zahlen erfassen, unterstreicht deren herausragende Bedeutung. Daraus macht Goolsbee auch keinen Hehl. Er betont einerseits, dass es sich bei den Daten seines Hauses um „real-time“ Zahlen, also Werte in Echtzeit handelt. So gesehen seien diese sogar aktueller als der amtliche Bericht zum Job-Markt. Gleichwohl lobt er die monatliche BLS-Statistik als den „weltweit besten und umfassendsten Arbeitsmarktbericht“. Und Goolsbee räumt ein, dass je länger die Fed auf diesen verzichten muss, „desto weiter werden die Daten von der ökonomischen Realität entfernt sein“.
In der Zwischenzeit muss sich die Fed aber mit den Zahlen begnügen, die ihr vorliegen. Dazu zählen private Quellen, neben ADP, das Conference Board, führende Banken sowie die Firma Challenger, Gray and Christmas. Und der Arbeitsmarktdienstleister zeichnet ein düsteres Bild. Demnach kam es während der ersten neun Monate des Jahres zu insgesamt nur 205.000 Neueinstellungen. Das ist gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres ein Rückgang um 58%.
Folgen für die Geldpolitik
Unterdessen ranken sich die Spekulationen an den Märkten um die Frage, was das Ausbleiben herkömmlicher Daten für die Notenbank und ihren zinspolitischen Kurs bedeutet. Die vorherrschende Meinung unter Analysten deutet darauf hin, dass der Fehlen des BLS-Berichts eine weitere Zinsssenkung Ende Oktober zementiert haben dürfte. Gemäß dem FedWatch Tool der CME Group stieg nach Beginn des Shutdown die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung um 25 Basispunkte auf über 95%. Auch unterstellt das analytische Instrument mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für Dezember eine dritte Senkung des Leitzinses im laufenden Jahr.
Ob das so bleiben wird, ist allerdings unklar. Durchaus möglich ist nämlich, dass der Verwaltungsstillstand auch kommende Woche der Veröffentlichung des Verbraucherpreisindex CPI im Wege stehen wird. Treffen könnte der Shutdown zudem Statistiken wie Einzelhandelsumsätze. Diese geben nämlich Aufschluss über das Konsumverhalten und die Stimmung unter Verbrauchern, die ebenfalls Folgen für die Preisentwicklung und die Gesamtwirtschaft haben.
PMIs könnten Relevanz erlangen
Fehlen der Fed auch Zahlen, die für die Inflation relevant sind, dann würden ganz andere Quellen eine Rolle spielen. Darunter vor allem die Einkaufsmanagerindizes (PMI) für das verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungsbranche. Diese hatten in den vergangenen Monaten steigende Inputkosten signalisiert und schlagen langsam auch auf die Verbraucherpreise durch. So oder so handelt es sich für die Währungshüter um eine schwierige Grantwanderung, die ohne ein Minimum an Improvisation kaum zu bewältigen sein wird.