Plus von 19,2%

Firmenpleiten steigen kräftig

Im Juli ist die Insolvenzzahl in die Höhe gesprungen – eine Trendwende aber ist das nach Expertenmeinung nicht. Denn ursächlich ist nicht nur die Wirtschaftskrise.

Firmenpleiten steigen kräftig

Deutlich mehr Firmenpleiten

Stärkstes Plus seit Oktober – Berufsverband mahnt Ursachenforschung an

ba Frankfurt

Im Juli ist die Insolvenzzahl in die Höhe gesprungen – eine Trendwende aber ist das nach Expertenmeinung nicht. Denn ursächlich ist nicht nur die Wirtschaftskrise, sondern auch strukturelle und branchenspezifische Probleme.

So rasant wie im Juli haben die Insolvenzen zuletzt im Oktober vergangenen Jahres zugelegt. Für den ungebrochenen Aufwärtstrend machen Experten neben der Normalisierung nach den coronabedingten Ausnahmen und der Wirtschaftsflaute auch hausgemachte Probleme verantwortlich – die Strukturprobleme und die hohen Energiekosten. Zudem sind auch mehr Verbraucher in die Insolvenz gerutscht.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben die Anträge auf Regelinsolvenzen im Juli um 19,2% zum Vorjahr zugelegt. „Das ist die höchste Zuwachsrate seit Oktober 2024“, als es 22,9% waren, betonen die Statistiker. Nachdem die Anträge erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen, ergibt sich eine Verzögerung von annähernd drei Monaten zum tatsächlichen Insolvenzantrag.

Hier gibt es also erste Zahlen für Mai: Die Amtsgerichte meldeten einen Anstieg um 5,3% zum Vorjahr auf 2.036. Daraus resultieren Forderungen der Gläubiger von rund 3,2 Mrd. Euro. Im vergangenen Mai lagen diese Forderungen bei rund 3,4 Mrd. Euro. Im Mai gab es auch mehr Verbraucherinsolvenzen – diese legten um 16,1% zum Vorjahr auf 6.605 zu.

„Liquidität angeschlagen“

„Die Wirtschaftskrise dauert an – und deshalb wächst die Welle der Unternehmensinsolvenzen weiter“, kommentiert DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen das Zwölf-Jahreshoch im Mai. Die Liquidität vieler Betriebe sei nach zwei Jahren Rezession angeschlagen. „Tag für Tag verlieren wir Wertschöpfung, Innovationsimpulse, Unternehmergeist. Die Wirtschaft braucht Entlastung auf breiter Front – weniger Bürokratie, mehr Fachkräfte, weniger Kosten.“ Ein weiterer Belastungsfaktor sei die im internationalen Vergleich teure Energie, wegen der inzwischen mehr als jedes zweite größere Industrieunternehmen seine Produktion im Inland einschränkt oder dies plant, wie das DIHK-Energiewendebarometer zeigt. „Das hat auch spürbare negative Folgen für die Auftragslage der unternehmensnahen Dienstleister“, mahnt Zenzen.

Frühzeitig agieren

„Trotz häufig genannter Ursachen wie Zöllen, Bürokratie oder geopolitischen Spannungen zeigt sich, dass viele Insolvenzen auf tiefere, langanhaltende strukturelle Veränderungen zurückzuführen sind, die oftmals über Jahre gewachsen sind“, heißt es beim Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Branchenspezifische Veränderungsprozesse als Insolvenzursache aus dem Blick zu lassen, sei „eine gefährliche Fehleinschätzung, da hierdurch Sanierungsmaßnahmen zu spät oder nicht umfassend genug angegangen werden“, mahnt VID-Chef Christoph Niering.

Negativbeispiel Medienbranche

Ein prägnantes Beispiel sei die Medienbranche – Privatsender und auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten hätten schon seit vielen Jahren die Produktion ihrer Fernsehsendungen ausgelagert, wobei in vielen Produktionsfirmen existenzgefährdende Strukturen entstanden seien. „Die deutlich zurückgehende Nachfrage nach linearem Fernsehen und die zum Teil kurzfristigen Absagen von Sendeformaten bringen viele Produktionsfirmen in existenzielle Krisen. Eine Entwicklung, die schon lange andauert, aber noch lange nicht zu Ende sein dürfte“, so Niering. Der Trend zur Programmverschlankung und der Wandel im Medienkonsum der Zuschauer verstärken diese Entwicklung zusätzlich. Dauerhaft verändertes Kunden- oder Verbraucherverhalten stelle viele Branchen vor große und zum Teil kaum beherrschbare Herausforderungen. „Für alternative Vertriebs- oder Produktionswege fehlen dann nicht selten die notwendigen Konzepte oder finanziellen Mittel, wie dies auch im stationären Einzelhandel festzustellen ist“, erklärt Niering.

Die meisten Firmenpleiten verzeichnet Destatis im Bereich Verkehr und Lagerei mit 10,9 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen. Es folgen das Baugewerbe mit 9,4 Fällen sowie das Gastgewerbe mit 9,0. Zum Vergleich: Insgesamt kamen im Mai auf 10.000 Unternehmen 5,9 Insolvenzen.