Zinswette

Franken-Kurs spürt starken Aufwind

Der Schweizer Franken befindet sich zum Euro wieder kräftig im Aufwind. Offenbar trauen die Marktakteure der Schweizer Nationalbank eher eine nächste Leitzinserhöhung zu als der EZB. Angesichts des eklatanten Teuerungsvorteils der Schweizer ist diese Erwartung überraschend, aber plausibel.

Franken-Kurs spürt starken Aufwind

Franken-Kurs in starkem Aufwind

Schweizer Inflation unter 2 Prozent – Schwache Auslandsnachfrage lastet schwerer auf Industrie als teurer Franken

dz Zürich

Der Euro-Franken-Kurs ist wieder auf dem Weg, den er schon im September 2022 eingeschlagen hatte, dann aber zwischenzeitlich wieder in Richtung Parität verließ. Ende Juli kostete ein Euro erstmals im laufenden Jahr wieder weniger als 96 Rappen. Und seit Montag hat es den Anschein, als strebe das Währungspaar einen längerfristigen Aufenthalt unter der 96er Marke an. Für Wechselkursschwankungen gibt es immer viele Gründe, weshalb kaum zuverlässige Prognosen möglich sind. Doch im Rückblick lassen sich aus den Wechselkursbewegungen oft wichtige Erkenntnisse über die effektive oder erwartete Wirtschaftsentwicklung ziehen.

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In der Schweiz ist die Inflationsrate schon im Juni in den von der Nationalbank als "Preisstabilität" definierten Bereich (unter 2%) zurückgefallen und bewegte sich im Juli bei 1,7%. Somit könnten sich die Frankenhüter entscheiden, anlässlich ihrer nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung vom 21. September eine Pause einzulegen und den Leitzins bei den im Juni erreichten 1,75% zu belassen.

Demgegenüber ist die Inflationsrate im Euroraum nach wie vor viel zu hoch. Die Kernrate erreichte im Juli ein Niveau von 5,3% – was für die nächste geldpolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank vom 14. September eigentlich eine klare Notwendigkeit für eine nächste Leitzinserhöhung auf mindestens 4,5% erwarten ließe. Der Euro-Franken-Kurs signalisiert aber etwas anderes.

Die stark abgeschwächte Konjunktur vor allem in der Eurozone hat vermeintliche Gewissheiten der Marktakteure ins Wanken gebracht. Die EZB könnte sich im September gegen einen weiteren Zinsschritt entscheiden, zumal es Anzeichen gibt, dass sich die Preisdynamik in den kommenden Monaten von selbst abschwächt. Mit dieser Auffassung ist Alexander Koch von Raiffeisen nicht allein.

Inflation runter, Leitzins hoch

Indessen erwartet der Ökonom von der Nationalbank in vier Wochen – ebenfalls im Einklang mit dem Ökonomenkonsens – "mit größerer Wahrscheinlichkeit" eine weitere Leitzinserhöhung. Das ist nicht a priori plausibel, bewegt sich die Inflation in der Schweiz doch auf einem beruhigend tiefen Niveau.

Doch Koch glaubt, dass die Nationalbank präventiv einen weiteren Zinsschritt vorlegen möchte, "um bei der Inflationsbekämpfung auf der sicheren Seite zu sein", wie er sagt. Angesichts des hiesigen Leitzinsniveaus, das – im Vergleich zu dem anderer Notenbanken – immer noch recht niedrig aussieht, sei das Risiko eines Überziehens auch nicht so groß.

Wahrscheinlich gefällt der Schweizer Notenbank ein höherer Leitzins auch deshalb besser, weil sie so mehr Spielraum gewinnt, wenn es dereinst wieder darum gehen sollte, der Wirtschaft in rezessiven oder gar deflationären Zeiten frische Impulse zu verleihen.

Aber was denkt die Wirtschaft, wenn Unternehmen und Private mehr für Schulden bezahlen müssen, nur um der Notenbank eine Sicherheitsmarge zu verschaffen? Rudolf Minsch, Chefökonom beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, sagt: "Die Nationalbank hätte gute Gründe, den Leitzins im September auf zwei Prozent anzuheben. Die Preisstabilität ist sehr wertvoll für die Schweiz, weil sie den Konsum stützt und den Unternehmen das Investieren erleichtert." Das Hauptproblem der Schweizer Industrie sei derzeit sowieso nicht so sehr der teure Franken, sondern die konjunkturell bedingt schwache Nachfrage aus dem Ausland. Auch das lässt sich gerade am Euro-Franken-Kurs ablesen, der bald auf 93 Rappen gehen könnte, wo ihn manche Ökonomen schon vor einem Jahr gesehen hatten.  

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