„Frankreich droht zum neuen Italien zu werden“
Die US-Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Frankreichs inmitten einer politischen Krise deutlich zurückgenommen. Die Bonitätsnote wurde am späten Freitagabend von zuvor AA- auf A+ heruntergestuft. Damit wird Käufern von französischen Staatsanleihen zwar immer noch „ein sehr geringes Ausfallrisiko“ für Investments bescheinigt, doch erhöht die schlechtere Bewertung die Kosten für die Refinanzierung der Staatsschulden. Auch die Refinanzierungskosten für Finanzkonzerne und Unternehmen dürften damit einhergehend ebenfalls steigen.
„Wir zahlen nun den Preis für die Instabilität“, sagte der neue Ministerpräsident Frankreichs Sebastien Lecornu. Steigende Zinsen für den Schuldendienst hätten direkte Folgen für die Staatskasse, aber auch für das Leben der Menschen und die Unternehmen im Land. In dieser Lage müsse man einen stabilen Finanzkurs finden – das sei „auch eine Frage der Souveränität“.
Folgen der „Instabilität“?
Präsident Emmanuel Macron hatte seinen Vertrauten Lecornu vergangene Woche zum Regierungschef ernannt. Sein Vorgänger, der Zentrist François Bayrou, war zuvor durch ein Misstrauensvotum wegen seines geplanten Sparpakets in Höhe von 44 Mrd. Euro gestürzt worden. Lecornu ist bereits der fünfte französische Ministerpräsident in weniger als zwei Jahren. „Diese Instabilität schwächt die Fähigkeit des politischen Systems, eine substanzielle Haushaltskonsolidierung zu erreichen“, teilte Fitch mit. Finanzminister Eric Lombard erklärte, er habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen. Lecornu treibe die Gespräche mit den Abgeordneten voran, um einen Haushalt zu verabschieden und die öffentlichen Finanzen zu sanieren.
Fitch begründete den Schritt neben der Haushaltskrise mit den stark steigenden Schuldenquoten des Landes. Frankreich hat mit rund 3,3 Bill. Euro die höchsten Schulden in der EU. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist die Schuldenquote mit 114% die dritthöchste nach der Griechenlands und Italiens. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Längst gibt es Sorgen, dass Frankreich die ohnehin schwache wirtschaftliche Entwicklung Europas bremsen könnte. Es gehe obendrein keinen klaren Plan für eine Stabilisierung der Schulden in den kommenden Jahren, kritisierte Fitch.
Zwangsverkäufe erwartet
Analysten zufolge war die Herabstufung an den Finanzmärkten bereits weitgehend eingepreist. Sie unterstreicht die wachsende Sorge der Anleger über die Fähigkeit des Landes, sein Haushaltsdefizit – das höchste in der Euro-Zone – in den Griff zu bekommen. Die Herabstufung auf „A+“ könnte zudem zur Folge haben, dass andere Agenturen nachziehen und es zu Zwangsverkäufen französischer Anleihen durch Investoren kommt, die an bestimmte Bonitäts-Schwellenwerte gebunden sind.
Frankreich, so der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank Thomas Gitzel, drohe „zum neuen Italien zu werden“. Schon jetzt lägen die Refinanzierungskosten des französischen und italienischen Staates in etwa gleichauf. Da es in Italien unter Giorgia Meloni politisch ruhig geworden sei und sich in Frankreich die Regierungen die Klinke in die Hand geben würden, müsse sich die Grande Nation wohl vorerst an höhere Zinsen gewöhnen.
Gitzel hält die Gefahr, dass mit Frankreich eine neue Eurozonen-Krise erwächst, indes für gering. Die EZB könne bei Bedarf gezielt Staatsanleihen einzelner Länder kaufen. Das reduziere die Ansteckungsgefahr für andere Länder des Währungsraums. An den Finanzmärkten sei man sich dessen bewusst, weshalb größerer Stress an den europäischen Staatsanleihemärkten nicht zu erwarten sei.
Moody's und S&P
In wenigen Tagen werden die Ratingagenturen DBRS und Scope ihr Bonitätsurteil abgeben. Dann folgt am 24. Oktober Moody's und am 28. November S&P. Die französische Investmentbank Natixis rechnet damit, dass Moody’s zumindest den Ausblick auf „negativ“ (Aa3) setzen wird. Bei S&P könnte auch eine Herabstufung drohen, wenn die Entwicklungen sich an den Märkten zuspitzen.
Lecornu steht nun vor der Aufgabe, einen Haushalt vorzulegen, der das Defizit von geschätzten 5,4% des BIP senkt, um zumindest in einem ersten Schritt wieder mehr Vertrauen an den Märkten gewinnen zu können. Sein Plan dürfte jedoch weniger ehrgeizig ausfallen als das von Bayrou angestrebte Ziel von 4,6%. Um eine Mehrheit im tief gespaltenen Parlament zu sichern, werden Zugeständnisse an die Sozialisten erwartet. Dazu könnten höhere Steuern für Wohlhabende und eine Abschwächung der von Macron 2023 durchgesetzten Rentenreform gehören. Damit riskiert Lecornu jedoch, Abgeordnete aus Macrons eigener Partei und von den konservativen Republikanern zu verprellen.
Deutschlands Triple-A bestätigt
Auch in der Bevölkerung ist der Unmut gegen die Sparpläne groß und es kam zuletzt erneut zu großen Protesten auf der Straße. Der Vorsitzende des Finanzausschusses der Nationalversammlung, der Abgeordnete Éric Coquerel von der linksradikalen Partei LFI, sieht die Herabstufung nicht als das Resultat unterlassener Sparbemühungen, sondern als die Folge einer monatelangen „katastrophistischen Rhetorik über die finanzielle Lage des Landes“. Coquerel warnte, sollte die nächste Regierung ebenfalls auf die Finanzmärkte setzen, um eine harte Sparpolitik durchzusetzen, steuere sie direkt auf die von ihr selbst angekündigte Katastrophe zu - und werde das Land noch tiefer in die wirtschaftliche, soziale und ökologische Krise treiben.
Während mit der Herabstufung Frankreichs in der Eurozone insgesamt wieder mehr Verunsicherung eingezogen ist, könnten andere Bonitätsurteile womöglich die Gemüter wieder etwas beruhigen: Die Ratingagentur Scope hat die Bestnote „AAA“ für Deutschland bestätigt, adressierten aber zwei Schwachpunkte mit der schleppenden Konjunktur und den bisher zu geringen politischen Aktivitäten, um die Folgen der demografischen Alterung zu begegnen. Und die Ratingagentur S&P hat Spanien von „A“ auf „A+“ herausgestuft. Zugleich hob Fitch die Note für Portugal an von „A-„ auf „A“ wegen der sinkenden Schuldenquote. Für Österreich wurde von Scope allerdings der Ausblick auf „negativ“ gesetzt, die Bontitätsnote „AA+“ aber erneut bestätigt.