Frankreichs politische Krise

Frankreich vermeidet neuen Regierungssturz

Premierminister Lecornu entgeht Misstrauensanträgen. Das macht den Weg für die Debatte über den Haushalt frei.

Frankreich vermeidet neuen Regierungssturz

Frankreich vermeidet neuen Regierungssturz

Premierminister Lecornu entgeht Misstrauensanträgen – Weg für Haushaltsdebatte frei

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von Gesche Wüpper, Paris

Die neue Regierung ist bei den Misstrauensanträgen der links- und rechtsextremen Opposition mit einem blauen Auge davongekommen. Jetzt muss sie bis Ende des Jahres einen Haushalt auf den Weg bringen. Das Parlament muss auch über die als Zugeständnis vorgeschlagene Aussetzung der Rentenreform beraten.

Aufatmen in Paris und an den Finanzmärkten: Frankreichs neue Regierung hat die beiden Misstrauensanträge der links- und rechtsextremen Oppositionsparteien La France Insoumise (LFI) und Rassemblement National (RN) überstanden. Damit ist der Sturz von Premierminister Sébastien Lecornu erstmal abgewendet – und der Weg für die Debatte über den Haushaltsentwurf sowie über die Rentenreform von 2023 frei. Die Zeit drängt, damit der Haushalt bis Ende des Jahres verfassungsgerecht verabschiedet werden kann.

Lecornu hatte die Aussetzung der Rentenreform bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2027 vorgeschlagen, um sich die Unterstützung der 69 sozialistischen Abgeordneten zu sichern. Sie hatten die Aussetzung zur Bedingung dafür gemacht, jetzt nicht für die Misstrauensanträge zu stimmen. Allerdings hielten sich sieben sozialistische Abgeordnete nicht an die Abstimmungsempfehlung ihrer Partei, so dass Lecornu dem Misstrauensantrag von LFI nur knapp mit 18 Stimmen Vorsprung entkam. 271 Abgeordnete stimmten für den Antrag, für dessen Annahme 289 Stimmen notwendig gewesen wären. Für den Misstrauensantrag des Rassemblement National stimmten nur 144 Abgeordnete.

LFI will Macron des Amtes entheben

Präsident Emmanuel Macron hatte zu Beginn der Woche gedroht, die Nationalversammlung erneut aufzulösen und wieder vorgezogene Parlamentswahlen anzusetzen, sollte Lecornus Regierung stürzen. Es sei die Stunde der Wahrheit, eine Entscheidung zwischen der republikanischen Ordnung und dem Chaos, warnte der Premierminister die Abgeordneten vor der Abstimmung. „Die Präsidentschaftswahlen werden kommen. Nehmen Sie jetzt nicht den Haushalt der Nation oder der Sozialversicherung in Geiselhaft“ appellierte Lecornu.

Die Abgeordneten von LFI wollen jedoch trotz des gescheiterten Misstrauensvotums nicht klein beigeben. Sie kündigten an, einen weiteren Antrag zur Amtsenthebung Macrons stellen zu wollen und rief die Franzosen zu einem „Widerstand des Volkes“ auf.

70 Tage Zeit

Die 2023 auf den Weg gebrachte Rentenreform, die nun ausgesetzt werden soll, ist eines der wichtigsten Projekte Macrons. Durch sie wird das gesetzliche Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise um zwei auf 64 Jahre erhöht. Derzeit liegt es bei 62,9 Jahren. Nach Angaben Lecornus wird die geplante Aussetzung 2026 gut 400 Mill. Euro kosten, 2027 dann 1,8 Mrd. Euro. Die Summen müssten finanziell ausgeglichen werden, auch durch Sparmaßnahmen, erklärte er. Dies könne nicht auf Kosten eines höheren Defizits geschehen.

Der Haushaltsentwurf seiner Regierung zielt darauf ab, das Defizit 2026 von vermutlich 5,4% in diesem Jahr unter 5%, möglichst auf 4,7% zu senken. Dafür sind Haushaltsanstrengungen in Höhe von 31 Mrd. Euro geplant. Laut Verfassung haben die beiden Parlamentskammern insgesamt 70 Tage Zeit, den Haushalt zu verabschieden. Die Aussetzung der Rentenreform bis Anfang 2028 dürfte in Form eines Zusatzantrages zum Haushalt der Sozialversicherung eingebracht werden.

Aussetzung birgt Risiken

Die Aussetzung der Reform berge das Risiko einer Überarbeitung oder Umkehr der eingeschlagenen Linie, urteilt Fitch. Dies würde den strukturellen Druck auf die ohnehin schwachen öffentlichen Finanzen erhöhen. Nachdem Fitch die Kreditwürdigkeit Frankreichs gerade auf A+ abgestuft hat, wird Moody's seine Bewertung am 24. Oktober überprüfen.