NOTIERT IN PARIS

Französische Träume und Alpträume

Sie gilt als eine der schönsten Städte der Welt, ist einer der größten Anziehungspunkte für Touristen aus aller Herren Länder. Gleichzeitig ist sie der Ort, der in dem zentralistischen Land die wichtigsten Unternehmen auf sich konzentriert. Doch die...

Französische Träume und Alpträume

Sie gilt als eine der schönsten Städte der Welt, ist einer der größten Anziehungspunkte für Touristen aus aller Herren Länder. Gleichzeitig ist sie der Ort, der in dem zentralistischen Land die wichtigsten Unternehmen auf sich konzentriert. Doch die französische Hauptstadt ist ausgerechnet für viele Franzosen längst nicht mehr der große Traum. Im Gegenteil. Ein Großteil der leitenden Angestellten aus dem Großraum Paris träumt inzwischen von einem Leben in einer anderen französischen Stadt, ergab eine vom Internetportal cadremploi.fr veröffentlichte Online-Umfrage.Darin gaben 80 % der 3 689 Befragten an, aus Paris wegziehen zu wollen. Denn das auf “métro, boulot, dodo” (Metro, Arbeit, Schlafen) beschränkte Leben genügt ihnen nicht mehr. Hauptgrund für ihre Unzufriedenheit ist die Zeit, die sie täglich für die Fahrt zur Arbeit brauchen. Immerhin benötigen 27 % der Befragten dafür 31 bis 45 Minuten, je 22 % sogar 35 bis 60 Minuten oder mehr als 1 Stunde.Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit der leitenden Angestellten sind die Probleme des Wohnungsmarktes im Großraum Paris, wo die angebotenen Unterkünfte vergleichsweise teuer und klein sind. Dazu kommen die hohe Luftverschmutzung in der französischen Hauptstadt, die hohen Lebenshaltungskosten und die fehlende Nähe zur Natur. Sicherheitsaspekte spielen dagegen trotz der Attentate vom vergangenen November keine Rolle.83 % der von dem auf leitende Positionen spezialisierten Jobvermittlungsportal Befragten sind sogar bereit, für weniger Geld zu arbeiten, umzuschulen und die Konzernzentrale des Unternehmens zu verlassen, für das sie arbeiten, um in einer Provinzstadt leben zu können. 40 % wollen in den nächsten ein bis drei Jahren umziehen, um eine höhere Lebensqualität zu haben. Ganz oben auf der Wunschliste der Großstädte, von denen die leitenden Angestellten in Paris träumen, steht Bordeaux wegen seines milden Klimas. An zweiter Stelle kommt Lyon wegen seines reichen Jobangebots, gefolgt von dem als wirtschaftlich dynamisch geltenden Nantes. Toulouse, Montpellier, Nizza, Rennes, Marseille, Lille und Straßburg finden sich ebenfalls unter den Top Ten. Paris dagegen landete in der Umfrage auf Platz 11. Nur Rouen und Brest schnitten schlechter ab. *Auch von Calais dürften momentan nur wenige Franzosen träumen. Denn die Situation in dem wilden Flüchtlingslager vor den Toren der Hafenstadt am Ärmelkanal sorgt immer wieder für Negativschlagzeilen. Laut offiziellen Angaben leben dort 6 900 Migranten, die nach England gelangen wollen. Hilfsorganisationen sprechen sogar von mehr als 9 000 und eine Polizeigewerkschaft von über 10 000. Innenminister Bernard Cazeneuve hat nun angekündigt, dass die Hüttensiedlung aufgelöst werden soll. Er kündigte bei seinem Besuch auch weitere Hilfen für die heimische Wirtschaft an.Doch das reicht Wirtschaftsvertretern aus Calais nicht. Sie fordern, dass das Flüchtlingslager sofort abgerissen werden muss, damit die Wirtschaft der Stadt nicht weiter leidet. Denn nach Angaben der regionalen Industrie- und Handelskammer ist der Umsatz des Einzelhandels in Calais zwischen Ende 2015 und Mai dieses Jahres um 20 % bis 30 % eingebrochen, jener der Gastronomie sogar um 40 %. Transportunternehmen beklagen Behinderungen, weil die Flüchtlinge Barrikaden errichten, um Lkw zum Anhalten zu zwingen, um in ihnen nach England gelangen zu können. Landwirte wiederum ärgern sich darüber, dass ihre Felder zertrampelt und mit Müll verunreinigt werden, wenn sich Migranten darin vor der Polizei verstecken.Um ihrer Forderung, das wilde Flüchtlingslager so schnell wie möglich abzureißen, mehr Gehör zu verschaffen, blockierten Vertreter der Wirtschaft am Montag den Verkehr. Mit Lkw und Traktoren bildeten sie Konvois, die von Dünkirchen und Boulogne-sur-Mer aus bewusst langsam nach Calais fuhren, um eine Zubringerautobahn lahmzulegen. “Operation Schnecke”, wird diese Form des Protests in Frankreich genannt. Zeitgleich bildeten hunderte Einzelhändler und Hafenarbeiter eine Menschenkette auf der Stadtautobahn, die zum Hafen führt.