NOTIERT IN MAILAND

Fußball schlägt Brexit

Die Stichwahl von Mitte Juni ist vergessen, vom Brexit kaum mehr die Rede. Zwar träumt Mailand davon, die Bankenaufsicht EBA in die Finanzmetropole zu verlagern und auch Piazza Affari, die von der London Stock Exchange kontrollierte Mailänder Börse,...

Fußball schlägt Brexit

Die Stichwahl von Mitte Juni ist vergessen, vom Brexit kaum mehr die Rede. Zwar träumt Mailand davon, die Bankenaufsicht EBA in die Finanzmetropole zu verlagern und auch Piazza Affari, die von der London Stock Exchange kontrollierte Mailänder Börse, könnte an Bedeutung gewinnen. In Börsenkreisen heißt es, sie könnte als Plattform für die LSE-Kapitaltransaktionen innerhalb des EU-Raumes dienen. Schließlich haben beide Börsen ein und dasselbe technische System. Doch Gesprächsthema Nummer 1 ist derzeit Fußball. Italien hat den Europameister Spanien geschlagen und ist damit im Viertelfinale – gegen Deutschland. Alte Reminiszenzen werden wieder wach: Austerität gegen Flexibilität titelt eine Mailänder Sportzeitung. *Politik ist zwar derzeit kein Thema, sollte es aber sein. Denn die Kommunalwahlen haben den gefährlichsten Aspekt der italienischen Polit-Anomalie zum Vorschein gebracht: Zum Mitte-links-Block – verkörpert durch Regierungschef Matteo Renzi – gibt es keine gemäßigte Alternative: Beppe Grillos straff geführte Movimento 5 Stelle bleibt trotz des moderaten Faceliftings Auffangbecken für Extremisten und Protestwähler. Grillo, der keinen Widerspruch seiner Mitglieder duldet, zeigt sich unwillig und unfähig, auf nationaler Ebene produktiv zu kooperieren. Rechts der Linksdemokraten zerfleischt sich Silvio Berlusconis populistische Rechte gerade in Führungskämpfen, und die ausländerfeindliche Lega Nord, drittstärkste nationale Kraft, plant neben EU- und Euro-Austritt immer wieder ein unabhängiges Norditalien. Italien ist reif für eine Umwälzung ohne Getöse, ohne den Selbstdarstellungsdrang von Renzi und der Zerstörungswut der Opposition. Das Land braucht dringend eine erfolgreiche liberale Partei, Renzi einen glaubhaften Gegner. Sonst droht die Europafeindlichkeit auch hier weiter zuzunehmen. *Im Mittelpunkt des Mailänder Geschehens stehen auch die Banken. Nicht nur Unicredit mit der seit gut einem Monat andauernden Suche nach einem CEO: Vom Kursrutsch waren alle Banken, selbst die ertragsreiche und kapitalkräftige Intesa Sanpaolo betroffen, die mit ihrem Überschusskapital von über 10 Mrd. Euro und einer Rekorddividende keinerlei Grund zu Sorgen gibt. Auch Italiens Problembank Monte dei Paschi di Siena steht neuerdings wieder im Kreuzfeuer: Eine weitere Verstaatlichung wird nicht ausgeschlossen.Und während an der Börse das Bankendesaster keine Grenzen zu haben scheint, haben sich in- und ausländische Investoren im Mailänder Unicredit Pavillon getroffen. Die Rekordbeteiligung bei den von Unicredit regelmäßig organisierten Meetings zeigt klar den Willen zu mehr (ausländischen) Investitionen in Italien.UBS Italia gehört zu den wenigen ausländischen Banken, die in jüngster Zeit in Italien Zukäufe tätigten: etwa Santander Asset Management. Um bei ausländischen Banken zu bleiben: Die BayernLB hat vor kurzem in Mailand ihre Filiale erweitert. Die Münchner zählen zu den wenigen deutschen Banken mit einer Bankenlizenz in Italien. Und zu den wenigen Banken, die in Italien stark expandieren. Die Niederlassung ist nach der Finanzmarktkrise wieder reaktiviert worden. Dies ist ein klares Bekenntnis zu Italien, heißt es bei der Bank. Besonders im Immobiliengeschäft will die BayernLB in Italien mittelfristig wachsen. Das bereits starke Interesse italienischer Investoren am deutschen Immobilienmarkt soll nach dem Brexit weiter zunehmen. *Fabio Innocenzi, CEO von UBS Italia hat mit seinem Buch “Sabbie mobili – Esiste un banchiere perbene?” (Der Sumpf – Existiert der gute Banker?) Aufsehen erregt. Darin rollt er die Bankengeschichte Italiens der letzten Jahrzehnte mit sämtlichen Skandalen und den darin verwickelten Bankern auf. Schon vor diesem Hintergrund ist das Buch lesenswert. Aber er kommt auch zu einem Fazit: Es gibt gute Banker. Das sind jene, die sich nicht vor dem Risiko scheuen. Aber das Risiko müsse richtig eingeschätzt werden.