EU-Kommission

Gas-Notfallplan: Zwangskürzungen als letztes Mittel

Angesichts drohender Gasengpässe im Winter hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den Verbrauch in den nächsten acht Monaten um 15% zu senken. Dies ist für die Mitgliedsstaaten zunächst ein freiwilliges Ziel. Bei einer Versorgungsnotlage drohen aber auch Zwangskürzungen.

Gas-Notfallplan: Zwangskürzungen als letztes Mittel

ahe Brüssel

Die EU-Kommission will möglichen Gasengpässen im Winter mit einem europaweiten Einsparprogramm begegnen, das bereits am 1. August starten und dann acht Monate bis Ende März laufen soll. Demnach sollen alle Mitgliedstaaten in dieser Zeit 15% weniger Gas verbrauchen als im Schnitt der vergangenen fünf Jahre.

Das Ziel soll zunächst auf freiwilliger Basis angesteuert werden, wie aus dem Notfallplan hervorgeht, den die Behörde am Mittwoch veröffentlichte. Wenn allerdings ein erhebliches Risiko einer Lieferknappheit aufkommt oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage besteht, kann die Kommission auch eine Alarmstufe ausrufen und verpflichtende Vorgaben machen. Diese könnten dann auch bei mehr als 15% liegen. Die Alarmstufe könnte auch ausgerufen werden, wenn mindestens drei Mitgliedstaaten dies beantragen, die schon auf nationaler Ebene den Notfall festgestellt haben.

„Wir müssen uns auf eine vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des Plans in Brüssel. „Dies ist ein wahrscheinliches Szenario.“ Ein kompletter Lieferstopp würde ihren Worten zufolge alle EU-Staaten schwer treffen. Die Kommission hatte bereits in der letzten Woche vor einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte gewarnt, sollte Russland seine Gaslieferungen komplett stoppen.

„Russland erpresst uns“

Russland lieferte den Angaben zufolge im Juni im Vergleich zum Schnitt der vergangenen fünf Jahre weniger als ein Drittel der sonst üblichen Gasmenge. Der russische Präsident Wladimir Putin deutete am Mittwoch an, dass Gazprom auch nach Ende der Wartung der Nord-Stream-1-Pipeline nicht wieder die volle Gasmenge nach Westen liefern werde. Von der Leyen verwies darauf, dass bereits zwölf EU-Länder gar nicht mehr oder nur eingeschränkt von Russland mit Gas beliefert würden. „Russland erpresst uns, Russland setzt Energie als Waffe ein“, sagte die Kommissionschefin.

Der Brüsseler Notfallplan sieht nun vor, dass die Mitgliedstaaten frei in der Wahl ihrer Maßnahmen sind, mit denen sie das Einsparziel erreichen wollen. Diese sollen lediglich den Binnenmarkt nicht beeinträchtigen, marktbasiert sein und die Versorgung „geschützter Kunden“ sicherstellen. Außerdem soll die Gasverteilung an alle anderen Verbraucher nach bestimmten Kriterien priorisiert werden. Berücksichtigt werden sollen dabei unter anderem die Auswirkungen auf kritische Lieferketten, mögliche negative Effekte für andere Mitgliedstaaten, mögliche langfristige Schäden für industrielle Maschinen und die Möglichkeiten der Kunden, den Gasverbrauch reduzieren oder ersetzen zu können.

Die EU-Staaten müssen dem Notfallplan noch zustimmen. Am nächsten Dienstag soll es hierzu ein Sondertreffen der EU-Energieminister geben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte den Vorschlag aus Brüssel ausdrücklich. „Europäische Solidarität ist in diesen Zeiten wichtiger denn je“, betonte der Grünen-Politiker. „Wir müssen enger zusammenarbeiten, um in Gaskrisensituationen gemeinsam besser agieren zu können.“

Der Energieverband BDEW erklärte, entscheidend sei, dass das eingesparte Gas genutzt werde, um die Gasspeicher aufzufüllen. Viele der von der Kommission vorgeschlagenen Instrumente seien in Deutschland schon im Einsatz oder würden zurzeit auf den Weg gebracht.

„Verheerende Auswirkungen“

In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrauch in Deutschland gut 14% niedriger als im Vorjahr gewesen, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Auch bereinigt um Temperatureffekte lag der Verbrauch im laufenden Jahr schon 6,4% unter dem Wert des Vorjahreszeitraums.

Der europäische Industrie-Dachverband Business Europe warnte, dass Zwangskürzungen beim Gas und damit eine erzwungene Einschränkung der Produktion „verheerende wirtschaftliche Auswirkungen und oft irreversible Auswirkungen auf Unternehmen“ hätten. „Dies sollte nur als allerletzter Ausweg betrachtet werden“, erklärte Generaldirektor Markus J. Beyrer. Der Fokus müsse in erster Linie darauf liegen, dass diese Situation gar nicht erst erreicht werde.

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