Energiemarkt

Gaskrise: EU-Staaten einigen sich auf Notfallplan

Die europäischen Staaten haben sich auf einen Notfallplan zum Gassparen geeinigt. Die notwendige Mehrheit kam nach Angaben der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft zusammen. Allerdings gibt es im Vergleich zum ersten Entwurf der EU-Kommission ein paar entscheidende Zugeständnisse.

Gaskrise: EU-Staaten einigen sich auf Notfallplan

Die EU-Staaten haben das Beschlussverfahren für einen Notfallplan zur Drosselung des Gaskonsums auf den Weg gebracht. Bei einem Sondertreffen der für Energie zuständigen Minister kam am Dienstag in Brüssel die notwendige Mehrheit für den Schritt zusammen, wie die tschechische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte. Der Plan soll vor allem die Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten. Danach sieht der Plan vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15% zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.

Habeck und Baerbock optimistisch

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Kompromiss zum EU-Gas-Einsparplan bereits gelobt. „Insgesamt ist es ein vernünftiger, guter, weiterer Schritt“, sagte der Grünen-Politiker vor dem Minister-Treffen. „Er zeigt, dass Europa geschlossen ist.“ Er erwarte nach Abschluss der Beratungen ein starkes Signal auch an Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Märkte würden offen gehalten und die Energie-Infrastruktur gemeinsam ausgebaut. Das Treffen kommt einen Tag nach der Ankündigung des russischen Staatskonzerns Gazprom, die Gas-Lieferungen über die Nord-Stream-1-Pipeline zu halbieren.

Außenministerin Annalena Baerbock hat den Gas-Notfallplan der EU als „Zeichen des Zusammenhalts in Europa in schwierigen Zeiten“ gewürdigt. „Wir unterstreichen damit eben, dass wir uns nicht spalten lassen, wo wir als EU-Staaten auch gegeneinander agieren könnten, weil das Gas so knapp ist“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei einem Besuch in Prag. „Wir wissen was unsere Stärke ist: Zusammenstehen, gerade in nicht einfachen Zeiten.“

Verbindliche Einsparziele

Konkret bedeutet dies, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65% der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Das Beschlussverfahren für den überarbeiteten Plan soll an diesem Dienstag bei einem Sondertreffen der für Energiefragen zuständigen Minister eingeleitet werden. Dafür ist ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit notwendig, die nach Angaben von Diplomaten allerdings problemlos erreicht werden dürfte.

„ Perfides Spiel Putins“

Bei den Beratungen der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten habe sich gezeigt, dass ein Großteil der Länder Solidarität für äußerst wichtig halte und Gas einsparen wolle, hieß es. Neben Ungarn hätten zuletzt nur noch drei andere Mitgliedstaaten größere Vorbehalte geäußert.

Deutschland unterstützt die Notfallplanungen als eines derjenigen Länder, die derzeit noch stark von russischen Gaslieferungen abhängig sind. Für die Bundesregierung wird Wirtschaftsminister Robert Habeck zu dem Sondertreffen erwartet. Der Grünen-Politiker warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montagabend wegen der angekündigten weiteren Drosselung der Gaslieferungen ein „perfides Spiel“ vor. Putin versuche, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben. Dafür schüre er Unsicherheit und treibe die Preise. Technische Gründe für die Lieferkürzungen gebe es nicht.

Der russische Gaskonzern Gazprom hatte kurz zuvor angekündigt, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 von derzeit 40% auf 20% der maximalen Kapazität zu senken. Es sollen dann nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es.

Die EU-Kommission sieht die Ankündigungen als Beleg für die Notwendigkeit von gemeinschaftlichen europäischen Notfall-Planungen. Genau diese Art von Szenario habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium dazu veranlasst, ein Vorschlag zur Solidarität beim Gassparen vorzulegen, sagte ein Sprecher am Montagabend in Brüssel. Die Entwicklung bestätige die eigene Analyse und man hoffe, dass der Rat der Mitgliedstaaten an diesem Dienstag eine angemessene Antwort beschließen werde.

Von der Leyen hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass Russland in zwölf Mitgliedstaaten schon jetzt nur noch teilweise oder gar nicht mehr Gas liefert. „Deswegen muss Europa für den schlimmsten Fall vorbereitet sein: einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen, früher oder später“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Kritikern ihrer Notfall-Pläne hielt von der Leyen entgegen, dass die Auswirkungen eines russischen Lieferstopps auf alle EU-Staaten enorm wären – egal, wie viel Gas sie nun tatsächlich aus Russland beziehen. „Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen“, erklärte sie.