NOTIERT IN WASHINGTON

Geithner und die Supermünze

Das Tauziehen zwischen der US-Regierung und der republikanischen Opposition treibt immer skurrilere Blüten. In Washington sind nun ernsthafte Bemühungen im Gange, den drohenden Streit über eine erneute Anhebung der staatlichen Schuldengrenze durch...

Geithner und die Supermünze

Das Tauziehen zwischen der US-Regierung und der republikanischen Opposition treibt immer skurrilere Blüten. In Washington sind nun ernsthafte Bemühungen im Gange, den drohenden Streit über eine erneute Anhebung der staatlichen Schuldengrenze durch einen simplen Trick zu umgehen: Finanzminister Timothy Geithner lässt eine aus purem Platin bestehende Supermünze im Wert von 1 Bill. Dollar prägen. Damit wäre die Zahlungsfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft immerhin bis Anfang 2014 sichergestellt.Als kurz nach der Jahreswende eine Petition gestartet wurde, um die Supermünze zur Realität zu machen, dachten die meisten, es handele sich um einen dummen Scherz. Zwischenzeitlich wird das bizarre Ansinnen aber auch vom Weißen Haus unterstützt. Selbst Nobelpreisträger Paul Krugman ist an Bord. Gelingt es den Befürwortern, bis Februar mindestens 25 000 Unterschriften zu sammeln, wäre die Regierung verpflichtet, eine offizielle Stellungnahme abzugeben. Alles deutet darauf hin, dass Präsident Barack Obama und sein oberster Kassenwart den Plan bejahen würden.Ihren Ursprung hat die skurrile Debatte in der nach Ansicht von Kritikern ebenso lächerlichen wie ständig wiederkehrenden Diskussion über das staatliche Schuldenlimit. Seit der Jahrtausendwende hat der Kongress die Verschuldungsgrenze nicht weniger als neunmal angehoben. In der Regel nimmt die Öffentlichkeit von der diesbezüglichen Abstimmung kaum Notiz – zum Politikum wurde sie erst im Sommer 2001. Bereits mit Blick auf den anlaufenden Wahlkampf weigerten sich die Republikaner, dem Präsidenten ohne das Versprechen umfassender Sparmaßnahmen einen weiteren Blankoscheck auszustellen. Es tobte ein wochenlanger Streit über die mögliche Zahlungsunfähigkeit des Fiskus und das teilweise Einfrieren des staatlichen Verwaltungsapparats. Die Folgen waren das erste Downgrade für US-Staatsanleihen und, was deutlich schädlicher gewesen sein dürfte, ein enormer Verlust an Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des politischen Systems in Washington.Wenige Wochen, nachdem beide Seiten mit einem halbherzigen Kompromiss den wirtschaftlichen Schaden infolge eines Sturzes über die Fiskalklippe minimieren konnten, droht sich das Debakel vom vorletzten Juli zu wiederholen. Denn bereits Mitte Februar wird die Verschuldungsgrenze von derzeit 16,4 Bill. Dollar erreicht sein. Erneut mauern die Republikaner, und nun glauben kreative Denker aus dem Lager Obamas, dank einer obskuren Gesetzeslücke die Opposition überlisten zu können. Zwar kann Geithner nicht beliebig Münzen aus Kupfer, Nickel, Zink oder Gold in Auftrag geben. Er hat aber freie Hand, wenn es um Platin geht. Dabei dachte der Gesetzgeber allerdings an das Prägen von Gedenk- und Sammler münzen, nicht an eine Supermünze, mit der die Staatsschulden abgetragen werden sollen. Sobald die 1-Bill.-Dollar-Münze geprägt ist, müsste sie jedenfalls bei der New Yorker Fed eingezahlt und in deren Katakomben verwahrt werden, und prompt hätte die Regierung großzügigen Spielraum, um den Rest des Fiskaljahres wieder munter Schulden zu machen.Kürzlich war es Nobelpreisträger Paul Krugman, der aufhorchen ließ, als er sich für die Supermünze aussprach: “Die Regierung sollte das unbedingt machen. Denn sie steht vor einer Lösung, die lächerlich, aber harmlos ist und einer Lösung, die ebenso lächerlich, aber wirtschaftlich desaströs wäre”, nämlich der Staatspleite, meint Krugman. Anders sieht es der Nationalökonom Randall Kroszner von der University of Chicago. “Das ist Augenwischerei und kein Weg, die grundlegenden Haushaltsproble me zu lösen, vor denen unsere Nation steht”, sagt Kroszner. “Eine Supermünze ändert nichts an der dringenden Notwendigkeit, eine Steuerreform mit Einsparungen und einer Reform der gesetzlichen Ausgabenprogramme zu kombinieren.” Auf ein praktisches, rein logistisches Problem weist ein anderer Experte hin, nämlich der Numismatiker David Greenstein. “Am Marktwert der Feinunze gemessen müsste eine reine Platinmünze im Wert von 1 Bill. Dollar ungefähr so schwer sein wie eine Boeing 747.” Diese im Keller der Fed zu platzieren dürfte schwierig sein.