NOTIERT IN WASHINGTON

Heilloses Chaos bei den Demokraten

Etwas mehr als acht Monate vor den Präsidentschaft- und Kongresswahlen sind die US-Demokraten so tief gespalten wie selten zuvor. Als Favorit gilt ein linksgerichteter Senator, der sich selbst stolz als "demokratischen Sozialisten" bezeichnet, die...

Heilloses Chaos bei den Demokraten

Etwas mehr als acht Monate vor den Präsidentschaft- und Kongresswahlen sind die US-Demokraten so tief gespalten wie selten zuvor. Als Favorit gilt ein linksgerichteter Senator, der sich selbst stolz als “demokratischen Sozialisten” bezeichnet, die Bildungspolitik Fidel Castros lobt und nach Überzeugung vieler Experten in einem Duell mit Präsident Donald Trump sang- und klanglos untergehen würde. Politisch gemäßigte Kandidaten liegen sich in den Haaren, brüllen sich an und die Partei droht zu zersplittern.Die letzte Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten vor den wichtigen Super-Tuesday-Vorwahlen führte keineswegs zur Versöhnung, vielmehr riss das zweistündige Spektakel in South Carolina die Kluft innerhalb der Oppositionspartei noch weiter auf. Zehnmal seit Beginn der Vorwahlen hatten sich die Kandidaten gegenübergestanden, noch nie ging es aber so heftig zu wie an diesem Abend. Im Kreuzfeuer der Kritik stand erwartungsgemäß Bernie Sanders, der am Wochenende die Abstimmung in Nevada souverän für sich verbucht hatte und in Wählerumfragen davonzuziehen droht. Attackiert wurden die Durchführbarkeit und Finanzierbarkeit seiner umfangreichen Sozialprogramme, etwa der geplanten staatlichen Krankenversorgung für alle, des öffentlichen Wohnbaus in ärmeren Gegenden und der kompletten Schuldenstreichung für Studenten.”Das würde alles dreimal so viel kosten wie die jährliche Wirtschaftsleistung der USA”, wetterte Senatorin Amy Klobuchar. Auch Multimilliardär Michael Bloomberg nahm kein Blatt vor den Mund. Falls die Demokraten Sanders, den er bei der letzten Debatte alles andere als subtil als Kommunisten beschimpfte, als Spitzenkandidaten aufstellen, dann drohe der Nation für die nächsten 20 bis 30 Jahre Unheil. “Kein moderater Republikaner wird das Lager wechseln und für Bernie stimmen”, konstatierte Bloomberg vermutlich zutreffend. Folglich würden Demokraten nicht nur die Präsidentschaft verlieren, sondern beide Kongresskammern. In dieselbe Stoßrichtung gingen die Aussagen des immer redegewandten Pete Buttigieg, der einen Kurs der Mitte steuern will und Sanders sowie Bloomberg als die “polarisierendsten Kandidaten” auf der Bühne bezeichnete. Die sozialliberale Senatorin Elizabeth Warren hingegen, die nach ihrem feurigen Auftritt vergangene Woche und wegen der Angriffe gegen Bloomberg in den Wählerumfragen zugelegt hatte, verschärfte ihre Attacken gegen den Medienunternehmer. Bloomberg schlug sich nach einer desaströsen ersten Debatte immerhin wacker. Er parierte die schärfsten Angriffe und verteidigte sachlich seine politischen Erfolge als Bürgermeister von New York. Keiner sei so gut vorbereitet wie er “für einen Job, für den ich übe, seitdem ich am 11. September 2001 auf den glimmenden Trümmern in New York spazierte”. * Nachdem die Partei an diesem Abend im Chaos zu versinken schien, mag es schwer sein, von klaren Favoriten zu sprechen. Die besten Chancen dürften aber in der Tat Sanders, Bloomberg und der ehemalige Vizepräsident Joe Biden haben, der auflebte, scharf konterte und wusste, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Sanders, weil er über eine hervorragend organisierte Kampagne mit Tausenden von Helfern an der Basis verfügt und weil junge Wähler nach wie vor von dem 78-Jährigen begeistert sind. Bloomberg verfügt über schier unbegrenzte finanzielle Ressourcen und kaufte selbst während der Debatte die teuersten Werbespots ein.Biden muss am Samstag die Vorwahl in South Carolina gewinnen und würde dann mit frischem Schwung in den Super Tuesday starten. Fest steht, dass etablierte Demokraten sowie Parteifunktionäre Angst vor dem “demokratischen Sozialisten” in den eigenen Reihen haben und lieber Bloomberg oder Biden gegen den amtierenden Präsidenten aufstellen würden. Darüber aber entscheiden die Wähler, sowohl kommenden Dienstag als auch in einigen darauffolgenden Abstimmungen. Derweil lacht sich angesichts des ausufernden Chaos einer, nämlich Donald Trump, ins Fäustchen und kann mit seinen derzeitigen Siegeschancen gut leben.