Geldpolitik

Hohe Zinsen würgen Kreditnachfrage in der Eurozone ab

Die Kreditnachfrage im Euroraum sinkt laut dem Bank Lending Survey der EZB auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2003. Die geringere Investitionstätigkeit ist ein schlechtes Signal für die Konjunktur – aber ein gutes für die Notenbanker.

Hohe Zinsen würgen Kreditnachfrage in der Eurozone ab

Hohe Zinsen würgen Kreditnachfrage in der Eurozone ab

Allzeittief erreicht – Banken verschärfen Finanzierungskonditionen – Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten besonders schwach

mpi Frankfurt

Die beispiellose geldpolitische Straffung der Europäischen Zentralbank (EZB) von 400 Basispunkten seit Juli 2022 schlägt wie von den Notenbankern gewünscht auf die Kreditvergabe im Euroraum durch. Wie aus dem vierteljährlich durchgeführten Bank Lending Survey (BLS) der EZB hervorgeht, ist die Nachfrage nach Unternehmenskrediten erneut gesunken und auf ein Allzeittief seit 2003 gefallen. Das ist das Jahr, in dem die Notenbanker die erste Befragung dieser Art unter Europas Banken durchgeführt haben.

Die steigenden Zinssätze und eine geringe Nachfrage nach Anlageinvestitionen waren laut der EZB die Hauptgründe für den Rückgang. Ein Ziel der Zinserhöhungen der Zentralbank ist es, die wirtschaftlichen Aktivitäten zu reduzieren und so den Inflationsdruck zu senken. Die geringere Kreditnachfrage ist daher beabsichtigt. Auch auf die Angebotsseite wirken sich die Zinserhöhungen aus. Viele Banken haben nach eigenen Angaben ihre Kreditstandards verschärft, allerdings hat sich diese Dynamik im Vergleich zum Jahresbeginn verlangsamt. Während im ersten Quartal der Saldo zwischen jenen Banken, die eine Verschärfung berichteten, und jenen, die eine Lockerung meldeten, bei 27 Prozentpunkten lag, hat es sich im zweiten Quartal auf 14 Prozentpunkte nahezu halbiert.

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Für Deutschland lesen sich die Zahlen ähnlich. Auch hier haben mehr Banken ihre Kreditstandards verschärft als gelockert und der Saldo ist im Vergleich zum Vorquartal kleiner geworden. Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten ist gesunken. Unterschiede zwischen der Eurozone und Deutschland zeigen sich beim Ausblick. Für den Zeitraum Juli bis September rechnen die Banken für den Euroraum mit einer weiter sinkenden Nachfrage nach Unternehmenskrediten. Dieser Rückgang werde aber voraussichtlich viel geringer ausfallen als im zweiten Quartal. Die befragten Finanzinstitute rechnen für Deutschland hingegen im kommenden Quartal mit einer in etwa gleich bleibenden Nachfrage. Allerdings hatten sie bereits beim BLS im Mai mit einer Erholung für das zweite Quartal gerechnet, die dann nicht eingetreten ist.

Transmission funktioniert

Für die EZB sind die Zahlen aus dem BLS vor dem Hintergrund einer Debatte um die Transmission der Zinserhöhungen auf die Realwirtschaft wichtig. Dabei geht es um die Frage, wie stark und wie schnell sich die höheren Leitzinsen auf die Wirtschaft auswirken. Die Kreditvergabe der Banken ist seit Beginn der geldpolitischen Straffung erheblich zurückgegangen, dieser Prozess vollzieht sich schrittweise. „Während die EZB diese Ergebnisse als klares Zeichen dafür wertet, dass der Rekorderhöhungszyklus erhebliche Auswirkungen haben wird, gehen wir nicht davon aus, dass er die Zinsentscheidung am Donnerstag allzu sehr beeinflussen wird“, schreibt Bert Colijn, Senior Economist der ING für die Eurozone.

Es gilt als ausgemacht, dass die EZB am Donnerstag die Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte anheben wird. Über den weiteren Kurs wird innerhalb des EZB-Rats kontrovers diskutiert. Die Verfechter einer lockereren Geldpolitik sprechen sich für eine Zinspause im September oder gar das Ende des Zinszyklus aus. Sie verweisen darauf, dass sich die Wirtschaft bereits jetzt merklich abgekühlt habe und es noch Zeit brauche, bis die Auswirkungen der bisherigen Zinserhöhungen auf die Realwirtschaft voll durchschlagen.

Zuletzt verdichteten sich die Anzeichen, dass die Transmission der Geldpolitik aufgrund von Strukturänderungen in der Wirtschaft länger brauche als in der Vergangenheit. Darauf wies unter anderem EZB-Präsidentin Christine Lagarde hin. Den gleichen Befund stellte auch Konstantin Veit, Zinsexperte beim Vermögensverwalter Pimco, im Interview der Börsen-Zeitung aus. „Nach der Pandemie halten viele Unternehmen lieber länger an ihren Arbeitskräften fest und der Dienstleistungsbereich hat an Bedeutung gewonnen, der aber weniger zinssensitiv ist. Das kann auch dafür sprechen, dass die Transmission der Geldpolitik jetzt etwas länger dauern kann.“

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