„Ich hätte eine Zinssenkung befürwortet“
„Ich hätte eine Zinssenkung befürwortet“
DIW-Präsident Fratzscher sorgt sich angesichts straffer Geldpolitik um Investitionen
mpi Frankfurt
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Geldpolitik im Euroraum für zu restriktiv und kritisiert die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre Kommunikation zum Zinsentscheid am Donnerstag. „Es ist zu wenig, ständig nur die Datenabhängigkeit zu betonen“, sagt Marcel Fratzscher im Interview der Börsen-Zeitung. Stattdessen hätte er sich eine klare Kommunikation zur künftigen Geldpolitik gewünscht. Die EZB hätte mitteilen sollen, dass „sie das Ziel hat, die Geldpolitik bis 2025 wieder auf ein neutrales Niveau zu senken“.
Dies hätte den Unternehmen mehr Sicherheit für Investitionen gegeben und zudem bereits jetzt die Finanzierungskonditionen gelockert und auch über diesen Weg zu mehr Investitionen der Firmen geführt. Aktuell produziere die Wirtschaft in der Eurozone und insbesondere in Deutschland deutlich unter ihrem Potenzial, diagnostiziert Fratzscher. Ohne mehr Investitionen werde dies auch in den kommenden Jahren der Fall sein, meint der DIW-Präsident. Dies reduziere nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern könnte mittelfristig auch dazu führen, dass die EZB ihr Inflationsziel von 2% wieder unterschreitet. „Auch damit würde sie das Ziel der Preisstabilität nicht erreichen“, sagt Fratzscher. Daher plädiert er für Zinssenkungen um etwa 175 bis 200 Basispunkte innerhalb der kommenden 12 bis 14 Monate. Am besten hätte die EZB aus seiner Sicht mit der Lockerung der Geldpolitik bereits angefangen. „Ich hätte befürwortet, wenn die EZB bereits im April die Zinsen gesenkt hätte“, sagt er.
In Deutschland sieht der DIW-Präsident zudem die Ausgestaltung der Schuldenbremse kritisch, die dringend benötigte öffentliche Investitionen verhindere. „International sorgt die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form nur noch für Kopfschütteln.“ Investitionen sollten laut Fratzscher bei der Schuldenbremse nicht berücksichtigt werden, sondern nur konsumtive Ausgaben. Er räumt jedoch ein, dass es vor der Umsetzung dieses Vorschlags erst eine „ökonomisch sinnvolle Definition“ von investiven Ausgaben brauche.
Das Interview können Sie hier lesen.
Interview Seite 9