Im InterviewLars Feld

„Ich könnte nachvollziehen, wenn die EZB zunächst eine Zinspause einlegen würde“

Der Ausgang der wegweisenden EZB-Zinssitzung am Donnerstag ist völlig offen. Die Börsen-Zeitung hat mit Lars Feld, Professor an der Universität Freiburg, über Teuerung, Bilanzabbau und Inflationsziele gesprochen.

„Ich könnte nachvollziehen, wenn die EZB zunächst eine Zinspause einlegen würde“

Muss die EZB ihre Leitzinsen weiter anheben, und wenn Ja, bereits jetzt am Donnerstag, oder hat sie bereits genug getan?

In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass die Inflation im Euroraum sehr hartnäckig ist. Zugleich haben sich die konjunkturellen Aussichten weiter eingetrübt. Ich könnte daher nachvollziehen, wenn die EZB zunächst eine Zinspause einlegen würde. Gleichwohl wird sie kaum an einer weiteren Zinserhöhung vorbeikommen. Es wäre besser, diese nicht hinauszuzögern.

Wie sollte die EZB reagieren, falls die Eurozone nun in eine Rezession rutscht, während die Inflation immer noch deutlich zu hoch liegt?

Im Grunde befindet sich die Eurozone in einer Stagflation. Allenfalls wird sich eine milde Rezession daraus entwickeln. Und diese ist nicht zuletzt ein Ergebnis der Zinserhöhungen der EZB. Sie sollte daher nicht mit Zinssenkungen auf diese rezessiven Tendenzen in der Eurozone reagieren, da dies ihre eigene Politik zur Bekämpfung der Inflation konterkarieren würde.

Parallel zu den Zinserhöhungen reduziert die EZB ihre aufgeblähte Bilanz. Braucht es dabei mehr Tempo oder ist das aktuelle Vorgehen angemessen – oder aktuell sogar zu viel?

Die EZB hat mit dem Abbau der Bestände an Staatsanleihen die Möglichkeit, ein alternatives Instrument zur Zinserhöhung einzusetzen. Ein stärkerer Abbau dieser Bestände erlaubt ihr insbesondere, gezielte Zinseffekte auf der Zinsstrukturkurve zu erreichen. Jedenfalls könnte der Abbau etwas schneller vorangehen.

Wie schätzen Sie den mittel- und langfristigen Inflationstrend im Euroraum ein? Droht strukturell eine höhere Inflation oder eine Rückkehr zur Disinflation wie vor der Pandemie?

Wenn die EZB die richtigen Maßnahmen ergreift, wird weder das eine noch das andere passieren. Sie wird die richtige Dosierung ihrer Maßnahmen Schritt für Schritt finden müssen. Bei dieser Gratwanderung kann sie im Grunde nur auf Sicht fahren.

Sollte die EZB perspektivisch ihr Inflationsziel von 2,0% anheben oder zumindest eine Art Toleranzband einführen?

Nein. Eine Anhebung des Inflationsziels käme einer Kapitulation vor der Inflationsentwicklung seit der Corona-Krise gleich. Die Inflationserwartungen würden entankert und es würde eine Beschleunigung des Inflationsprozesses in Gang gesetzt. Die EZB muss bei ihrem aktuellen Inflationsziel von 2% bleiben und glaubwürdige Maßnahmen zur Rückführung der Inflation auf dieses Niveau ergreifen.

Die Fragen stellte Mark Schrörs