Im Mai erneut mehr Firmenpleiten
Im Mai erneut mehr Firmenpleiten
Insolvenzanstieg aber weniger dynamisch â Höhere Forderungen â Auskunftei Crif schraubt Prognose fĂŒr 2024 nach oben
Die Konjunkturflaute fordert weiter ihren Tribut: Im Mai wurden erneut mehr Regelinsolvenzen beantragt, und fĂŒr das erste Quartal meldet Destatis einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um gut ein Viertel zum Vorjahr. Die Auskunftei Crif erwartet fĂŒr das Gesamtjahr deutlich mehr Pleiten als bislang.
ba Frankfurt
Der AufwĂ€rtstrend bei den Insolvenzzahlen ist ungebrochen, auch wenn die Dynamik im Mai wieder leicht zurĂŒckgegangen ist. Vom Leibniz-Institut fĂŒr Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erhobene FrĂŒhindikatoren signalisieren fĂŒr die kommenden Monate zwar rĂŒcklĂ€ufige Fallzahlen, die Auskunftei Crif allerdings erwartet eine eher höhere Ausfallrate als zuletzt. Die Zahlungsmoral deutscher Unternehmen als ein wichtiger Indikator fĂŒr potenzielle ZahlungsausfĂ€lle und damit Vorbote fĂŒr Insolvenzen habe sich in den ersten fĂŒnf Monaten dieses Jahres deutlich verschlechtert.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen im Mai um 25,9% gegenĂŒber dem Vorjahresmonat zugelegt. Im April betrug das Plus 28,5% nach 12,3% im MĂ€rz. Damit sind seit Juni 2023 âdurchgĂ€ngig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachtenâ, betonen die Wiesbadener Statistiker. Der IWH-Insolvenztrend hatte hingegen fĂŒr Mai den ersten RĂŒckgang bei Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften seit November 2023 angedeutet.
Steigende Zahlen auch bei den Verbrauchern
Nachdem die Regelverfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einflieĂen und der tatsĂ€chliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags in vielen FĂ€llen etwa drei Monate davor liegt, weist Destatis erst endgĂŒltige Zahlen fĂŒr das erste Quartal aus. Demzufolge meldeten die Amtsgerichte 5.209 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Dies entspricht einem Anstieg um 26,5% zum entsprechenden Vorjahresquartal. Das Niveau vom Jahresanfang 2020, dem entsprechenden Vergleichsquartal vor dem von Sonderregelungen und niedrigen Insolvenzzahlen geprĂ€gten Zeitraum der Coronakrise, wird um 11,2% ĂŒbertroffen, heiĂt es bei Destatis. Die Verbraucherinsolvenzen stiegen in den drei Monaten bis MĂ€rz um 4,8% zum Vorjahr auf 17.478.
ZusÀtzliche viele stille GeschÀftsaufgaben
Die jĂŒngste Entwicklung der Insolvenzzahlen bildeten aber nur einen Teilaspekt der aktuellen Wirtschaftslage ab, mahnt der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). âWir sehen weiterhin viele stille GeschĂ€ftsaufgaben auch auĂerhalb der Insolvenzâ, sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. Viele UnternehmensschlieĂungen hĂ€tten vor allem demografische GrĂŒnde.
Doch schon eine Welle?
Angesichts der seit zehn Monaten beobachteten prozentual zweistelligen Zuwachsraten falle es âzunehmend schwer, von einer nicht vorhandenen Insolvenzwelle zu sprechenâ, kommentiert Frank Schlein, GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Crif Deutschland. Die Voraussetzungen fĂŒr die Unternehmen blieben weiter schwierig â eine hohe konjunkturelle Dynamik sei nicht in Sicht. âZudem zeigt der private Konsum nur eine leichte Aufhellung und die geopolitischen Risiken bestehen weiterâ, betont Schlein.
Crif erwartet höhere Pleitezahl
Die Auskunftei Crif erwartet fĂŒr das Gesamtjahr 20.500 Firmeninsolvenzen. Anfang MĂ€rz lag die Prognose noch bei 19.800. Es ergibt sich ein Anstieg um knapp 15% zum Jahr 2023. Damit wird das Vor-Corona-Niveau ĂŒberschritten: 2017 waren es 20.276 Unternehmensinsolvenzen, 2018 dann 19.552 und 2019 schlieĂlich 19.005. Allerdings, so heiĂt es bei Crif weiter, habe es in den Jahren 2003 und 2010 âteilweise mit 2.000 Insolvenzen pro Monat noch einmal deutlich mehr Firmenpleiten gegeben als aktuellâ.
Derzeit sei âvermehrt ein liquiditĂ€tsschonendes Verhalten seitens der Firmenâ zu beobachten, erklĂ€rt GeschĂ€ftsfĂŒhrer Schlein. Die Unternehmen wĂŒrden ihren GlĂ€ubigern im Durchschnitt ein Zahlungsziel von 26 Tagen gewĂ€hren. Bei Nicht- oder SpĂ€tzahlern wĂŒrden Rechnungen derzeit erst nach durchschnittlich 52 Tagen und damit doppelt so spĂ€t bezahlt.
Zahlungsmoral wird schlechter
LiquiditĂ€tsmangel, der etwa durch verspĂ€tete oder unbezahlte Rechnungen entsteht, gilt als eine der hĂ€ufigsten Ursachen fĂŒr Insolvenzen. Eine Untersuchung der Zahlungsmoral von knapp 540.000 Unternehmen hat laut Crif gezeigt, dass ĂŒberfĂ€llige Rechnungen in den ersten fĂŒnf Monaten 2024 mit einem Verzug von rund 26,9 Tagen bezahlt wurden, 2023 waren es in diesem Zeitraum 19,2 Tage. Gestiegen sind auch die Forderungen der GlĂ€ubiger: Amtsgerichte beziffern diese auf rund 11,3 Mrd. Euro fĂŒr die im ersten Quartal gemeldeten FĂ€lle. Im vergangenen Jahr waren es rund 6,7 Mrd. Euro.
Verkehr und Lagerei erneut an der Spitze
Der Bereich Verkehr und Lagerei war erneut am stĂ€rksten von Insolvenzen betroffen â mit 29,6 FĂ€llen je 10.000 Unternehmen. Danach folgten das Baugewerbe mit je 23,5 FĂ€llen und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen â zu denen etwa Zeitarbeitsfirmen gehören â mit 23,0 FĂ€llen sowie das verarbeitende Gewerbe mit 20,3 Insolvenzen. Insgesamt gab es im ersten Quartal 15,2 Pleiten bezogen auf 10.000 Unternehmen. âIn den besonders betroffenen Branchen ist der Druck noch nicht rausâ, betonte VID-Chef Niering. âWie die Insolvenz von FTI zeigt, sind auch Branchen mit steigender Nachfrage nicht vor existenziellen Krisen geschĂŒtzt.â Die Immobilienbranche kĂ€mpfe weiter mit hohen Zinsen und gestiegenen Baukosten.
Der dauerhafte Druck auf den stationĂ€ren Einzelhandel und der sich fortsetzende Trend zum mobilen Arbeiten lasse zudem eine schnelle Erholung der Nachfrage bei gewerblichen Immobilienprojekten nicht erwarten. âDas bringt viele Unternehmen weiter in existenzielle Schwierigkeitenâ, so Niering.
Berlin zÀhlt die meisten Pleiten
Bezogen auf die BundeslĂ€nder berichtet Crif fĂŒr das erste Quartal von durchschnittlich 17 Pleiten je 10.000 Firmen. Mit 28 FĂ€llen je 10.000 Unternehmen liegt Berlin an der Spitze, gefolgt von Hamburg (22) sowie Nordrhein-Westfalen und dem Saarland (je 21). Mit jeweils 12 FĂ€llen bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es die wenigsten Firmenpleiten in Bayern, Brandenburg und ThĂŒringen.
In absoluten Zahlen gemessen gab es die meisten Unternehmensinsolvenzen in Nordrhein-Westfalen (1.311), Bayern (717) und Baden-WĂŒrttemberg (624). Im Jahresvergleich stiegen die Fallzahlen in 15 BundeslĂ€ndern â am krĂ€ftigsten in Mecklenburg-Vorpommern (83,7%), Brandenburg (50,7%), Sachsen (39,2%) und Rheinland-Pfalz (37%). Das Saarland verzeichnete dagegen einen RĂŒckgang um 4,9%.