NOTIERT IN WASHINGTON

Impeachment-Prozess vor möglicher Wende

Der Impeachment-Prozess, welcher derzeit im US-Senat abgehalten wird, illustriert mit Nachdruck, dass die USA in der Bewertung keines anderen Politikers in der Geschichte jemals so tief gespalten waren wie über die des 45. Präsidenten. Demokraten...

Impeachment-Prozess vor möglicher Wende

Der Impeachment-Prozess, welcher derzeit im US-Senat abgehalten wird, illustriert mit Nachdruck, dass die USA in der Bewertung keines anderen Politikers in der Geschichte jemals so tief gespalten waren wie über die des 45. Präsidenten. Demokraten haben schlüssige und unwiderlegbare Beweise vorgetragen, die unterstreichen, dass Donald Trump zum eigenen politischen Vorteil die Macht seines Amts missbraucht und anschließend versucht hat, die einschlägigen Ermittlungen zu blockieren. Er also die Justiz behindert hat. Für Demokraten und übrigens eine zumindest knappe Mehrheit der US-Bevölkerung ist der Fall transparent und so eindeutig, dass außer einer Amtsenthebung kein anderes Ergebnis denkbar ist. Republikaner verschließen sich aber konsequent der erdrückenden Beweislage und versuchen, mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten das Verhalten des Präsidenten zu rechtfertigen. So unüberbrückbar diese Spaltung auch erscheint, zeichnet sich nun doch eine potenziell bedeutende Wende ab. So hatte es lange Zeit den Anschein, als wäre der Verfahrensablauf vorgezeichnet und der formale “Freispruch” von den Vorwürfen des Amtsmissbrauchs und der Justizbehinderung eine reine Formsache. Mit den Enthüllungen John Boltons, der Nationaler Sicherheitsberater war, bis ihn Trump vergangenen September vor die Tür setzte, ist zumindest die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Bolton und womöglich auch andere Zeugen geladen werden. In seinem neuen Buch behauptet der frühere Sicherheitsberater, der Präsident habe ihm im August ausdrücklich gesagt, dass Militärhilfe für die Ukraine, die der Kongress längst beschlossen hatte, erst dann freigegeben werden dürfe, wenn die Regierung in Kiew Ermittlungen gegen Trumps Angstgegner Joe Biden und dessen Sohn Hunter einleite.Dadurch könnte sich das Blatt nun gewendet haben. Nachdem Anwälte des Präsidenten ihre Eröffnungsplädoyers abgeschlossen hatten, erklärte nämlich der ranghöchste Republikaner, Mitch McConnell, seinen Parteifreunden bei einer Sondersitzung, dass er nicht über die notwendigen Stimmen verfüge, um die demokratische Forderung nach Zeugen zu blockieren. Gleichwohl betonte McConnell, dass er sich “nicht geschlagen geben” werde. * Egal wie explosiv und belastend die Aussagen Boltons und womöglich anderer Zeugen sein könnten, es ist trotzdem nicht damit zu rechnen, dass der 45. US-Präsident letzten Endes mit einem Schuldspruch seines Amtes enthoben wird. Schließlich haben mehrere Republikaner, allen voran McConnell, gesagt, dass sie keineswegs voreingenommene Geschworene sein würden. Sie haben damit übrigens effektiv angekündigt, jenen Eid, den sie zu Prozessbeginn ablegten, verletzen zu wollen. Andere Senatoren sind gerade in einem Wahljahr so dringend auf Trumps politische Basis angewiesen, dass sie buchstäblich um keinen Preis dem Präsidenten den Rücken kehren würden.Eine kleine Gruppe moderater Republikaner will es aber nun wissen und scheint bereit zu sein, angesichts der Memoiren Boltons aus der Reihe zu tanzen. So meinte der frühere Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der Utah im Senat vertritt, dass Bolton zweifellos “relevante Aussagen” zu machen habe und diese im Interesse eines “fairen und unparteiischen Prozesses” zu hören seien. In dieselbe Stoßrichtung gingen auch die Aussagen von Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska. Sie meinen ebenfalls, dass angesichts der neuen Enthüllungen Bolton befragt werden sollte. Bei anderen gemäßigten Republikanern, unter anderem Pat Toomey aus Pennsylvania, steht die Entscheidung nun offenbar auf der Kippe.Trumps Anwaltsteam hatte schon mehrere Tage lang Vorbereitungen dafür getroffen, dass es zu Vorladungen kommen könnte. Sollte das geschehen, wäre der nächste Schritt, gegen jeden Antrag, der für alle Zeugen einzeln gestellt werden muss, vor Gericht Einspruch zu erheben. Dadurch könnte sich der Prozess im Senat, den McConnell schnell beenden wollte, noch Wochen und sogar Monate in die Länge ziehen.