Ifo-Umfrage

Industrie bekommt genug Material

Materialmangel ist nur noch in Teilen der deutschen Industrie ein Problem. Das Ifo-Institut empfiehlt, jetzt Vorsorge für künftige Engpässe zu treffen und die Lieferketten zu diversifizieren.

Industrie bekommt genug Material

Industrie bekommt genug Material

Ifo-Institut empfiehlt Vorsorge für künftige Engpässe – Größte Probleme immer noch im Autobau

ba Frankfurt

Materialmangel gehört kaum noch zu den Problemen der leidgeprüften deutschen Industrie. Die Knappheiten haben auch im Oktober deutlich abgenommen, teilte das Ifo-Institut mit. So berichteten nur noch 18,2% der befragten Firmen von Engpässen. Im September waren es noch 24,0%. Der Höhepunkt der Lieferprobleme in der Industrie war laut den Münchner Wirtschaftsforschern im Dezember 2021. Damals hatten 82,4% der Unternehmen Probleme bei der Materialbeschaffung. „Das Vorkrisenniveau ist nicht mehr weit entfernt“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Die Unternehmen sollten jetzt für künftige Engpässe vorsorgen, die Lieferketten diversifizieren und die Lagerhaltung erhöhen.“

Bitterer Beigeschmack

Der nachlassende Materialmangel ist keine durchweg positive Nachricht für die Industrie. Da nun die während der Corona-Pandemie liegengebliebenen Aufträge abgearbeitet werden, leeren sich die Auftragsbücher der Industrie sukzessive. Nachdem die Neubestellungen aber bereits seit Anfang 2022 schwächeln, dürfte die Industrieproduktion in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen – auch wenn sich hier zuletzt eine gewisse Stabilisierung abzeichnete.

Zinswende bremst Nachfrage

Die Einkaufsmanagerumfrage von Oktober zeigt laut S&P Global zudem, dass viele Kunden wegen Unsicherheitsfaktoren sowie den hohen Zinsen ihre Lagerbestände reduzieren und Investitionen vorerst auf Eis legen. Zahlreiche Unternehmen würden auch den Abbau ihrer Vormateriallager fortsetzen – und „verwiesen dabei auf die Nachfrageflaute, die insgesamt bessere Verfügbarkeit sowie den Druck, den Cashflow zu erhöhen“. Die Bestände seien markant gesunken, wenn auch weniger stark als im Vormonat. Die Lieferzeiten verkürzten sich im Oktober bereits den zwölften Monat in Folge.

„Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe haben sich aber zuletzt weiter stabilisiert und Stimmungsindikatoren wie die Ifo Geschäftserwartungen und die ZEW Konjunkturerwartungen deuten auf eine Bodenbildung im dritten Quartal und eine Belebung der Industriekonjunktur zum Jahreswechsel hin“, bemühte sich das Bundeswirtschaftsministerium jüngst um Optimismus. Denn im Vergleich zu den anderen großen Ländern im Euroraum bleibt laut S&P die deutsche Industrie das Schlusslicht. Das hiesige verarbeitende Gewerbe – zu dem neben der Industrie Bau und Energieversorger zählen – hatte im September die Produktion unerwartet deutlich um 1,4% zum Vormonat heruntergefahren. Ökonomen erwarten eine Fortsetzung in den kommenden Monaten. Diese deutet sich auch mit dem geringeren Lkw-Verkehr auf den deutschen Autobahnen an, da Produktion Verkehrsleistung erzeugt und benötigt. Der Lkw-Maut-Index war im Oktober um 1,9% gesunken. Nach wie vor ist die Versorgungslage in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Laut der Ifo-Umfrage berichten im Automobilbau nach wie vor die meisten Unternehmen von Lieferengpässen. Allerdings entspannt sich auch hier die Lage: Der entsprechende Anteil ist von 53,3 auf 36,8% kräftig gesunken.

„In der Autoindustrie spielt aber weiterhin der Mangel an Chips eine Rolle“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB. „Aufgrund des stark gestiegenen Bedarfs von Chips ist die Nachfrage nach diesen Komponenten weiterhin sehr hoch.“ Für die Chip-Produzenten sei es jedoch nicht attraktiv, die Kapazitäten für die Produktion der in der Autoindustrie verwendeten Halbleiter auszuweiten. Diese würden nicht mehr dem neuesten Stand der Technik entsprechen. In allen anderen Branchen liegt der Wert laut Ifo unter 30%, meist sogar unter 20%. Im Maschinenbau und bei den Herstellern von Elektrischen Ausrüstungen berichtete rund jedes vierte Unternehmen von Lieferengpässen.

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