Inflation liefert EZB Argument für Zinspause
Anstieg der Inflation im Euroraum liefert EZB Argument für Zinspause
Teuerung legt im August auf 2,1 Prozent zu – Kernrate stabil – Nur leichter Rückgang bei der Dienstleistungsinflation
mpi Frankfurt
Die Inflation im Euroraum ist im August etwas höher ausgefallen als von den meisten Volkswirten erwartet. Die Teuerung legte von 2,0 auf 2,1% zu, wie das Statistikamt Eurostat in einer Erstschätzung der Zahlen mitteilte. Der unerwartete Anstieg liefert der EZB nach Einschätzung von Volkswirten ein weiteres Argument für eine Verlängerung der Zinspause im September.
Diesen Schritt hatten zuletzt auch mehrere EZB-Ratsmitglieder angedeutet. „Die EZB hat sich demnach vorfestgelegt“, meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Jetzt sollten im besten Falle auch die Inflationsdaten entsprechend der geldpolitischen Ausrichtung ausfallen.“ Dies ist seiner Einschätzung nach auch eingetreten, das Zahlenmaterial von Eurostat spreche für eine Beibehaltung des Einlagensatzes bei 2,0%.
„Kein Handlungsdruck“
So stagnierte die Kernrate im August bei 2,3%. Hier rechnen Statistiker die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise heraus, weswegen sie Notenbankern als Indikator für den Inflationstrend gilt. Nur leicht bergab ging es zudem bei der Dienstleistungsinflation, auf die die EZB derzeit besonders stark blickt. Im August lag die Teuerung in diesem Sektor bei 3,1%, nach zuvor 3,2%. „Das noch recht hohe Niveau bei der Dienstleistungsinflation ist der Grund, warum die Europäische Zentralbank keinen Handlungsdruck sieht“, sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.
Im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor spielt die Lohnentwicklung eine wesentliche Rolle für die Inflation. Das starke Lohnwachstum infolge der sehr hohen Inflation ab dem Jahr 2022 hat dazu geführt, dass die Dienstleistungsinflation lange Zeit bei rund 4% verharrte. Seit einigen Monaten lässt sie jedoch graduell nach. Ein sehr starker Rückgang könnte dazu führen, dass die Gesamtrate der Inflation niedriger ausfällt als gewünscht. Derzeit befürchten mehr EZB-Räte mittelfristig eine zu niedrige als eine zu hohe Inflationsrate.
Auslaufen des Disinflationstrends
Daher gibt es in der Notenbank auch eine gewisse Tendenz zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik um 25 Basispunkte in diesem Jahr. Viele Ökonomen rechnen jedoch erstmal nicht damit. „Nur wenn es zu einer deutlichen Eintrübung der Konjunktur käme, gäbe es eine Mehrheit im EZB-Rat für erneute Zinssenkungen“, meint Schumacher. „Obwohl das nicht ausgeschlossen werden kann, deutet im Moment nichts auf eine solche Eintrübung hin und wir erwarten deshalb auch, dass die EZB auf absehbare Zeit den Leitzins bei 2% Prozent belassen wird.“
Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon, sieht ein Auslaufen des Disinflationstrends und rechnet mit keinem weiteren Rückgang der Kerninflation bis Jahresende. „Alles in allem spielen die jüngsten Inflationsdaten den Falken im EZB-Rat in die Hände, die für keine weitere geldpolitische Lockerung, sondern ein konstantes Leitzinsniveau von 2% plädieren.“ Mit Falken sind Notenbanker gemeint, die tendenziell eine restriktivere Geldpolitik befürworten. Das andere Lager, die Tauben, steht dagegen für einen eher lockeren Kurs. Derzeit sind die Tauben im EZB-Rat in der Überzahl.
Abwärtsrisiken für die Inflation
Die Ökonomen der DZ Bank schätzen den Inflationsausblick anders ein als Hartmann. Zahlreiche Faktoren würden auf ein weiteres Nachlassen der Inflation hindeuten. Sie verweisen auf die Aufwertung des Euro, niedrigere Rohölpreise und ein niedrigeres Lohnwachstum wegen der schwächelnden Konjunktur. „Ein in den kommenden Monaten nachlassender Preisdruck dürfte den Tauben im EZB-Rat wieder Rückenwind verleihen“, sagt Christoph Swonke, Konjunktur-Analyst bei der DZ Bank. „Bis zum Ende des Jahres rechnen wir noch mit einem letzten Lockerungsschritt der Notenbank.“
Carsten Brzeski, Chefökonom der ING, sieht sogar eine Restwahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung bereits am 11. September. Die Europäische Zentralbank könnte einen solchen Schritt als eine Art Versicherungsprämie gegen eine zu niedrige Inflation betrachten.