Insolvenzanstieg verliert Tempo
Insolvenzanstieg verliert Tempo
Pleitendynamik schwächt sich ab
10,4 Prozent mehr Regelinsolvenzen – Strukturelle Probleme und Energiekosten belasten
ba Frankfurt
Das Insolvenzgeschehen in Deutschland beruhigt sich leicht: Im September verliert der Anstieg der beantragten Regelinsolvenzen von Unternehmen etwas an Tempo. Im Gegensatz zu den Destatis-Daten zeigt sich dies In den Zahlen der Amtsgerichte allerdings noch nicht.
Der Insolvenzanstieg setzt sich im September fort, allerdings in einer etwas gemäßigteren Gangart. Die Normalisierung nach den coronabedingten Ausnahmen geht weiter: Die Insolvenzen beruhen immer häufiger neben der Konjunkturflaute auf strukturellen Problemen oder den hohen Energiekosten und nicht auf der zunehmenden Bürokratie oder den unzureichenden politischen Rahmenbedingungen, wie oft unterstellt.
Forderungen stabil
Das Statistische Bundesamt (Destatis) verzeichnet für September einen Anstieg der beantragten Regelinsolvenzen um 10,4% zum Vorjahr. Im August waren es noch 11,6%. Nachdem die Anträge erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen, ergibt sich eine Verzögerung von annähernd drei Monaten zum tatsächlichen Insolvenzantrag.

Hier gibt es also erste Zahlen für Juli: Hier meldeten die Amtsgerichte einen Anstieg um 13,4% binnen Jahresfrist auf 2.197 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Die dabei entstandenen Forderungen der Gläubiger bezifferten sie auf rund 3,7 Mrd. Euro. Im vergangenen Juli hatten die Forderungen bei rund 3,2 Mrd. Euro gelegen. Die Verbraucherinsolvenzen kletterten um 12,9% auf 7.553.
Konsolidierung des Insolvenzgeschehens auf hohem Niveau erwartet
Der Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hatte bereits ein Abflauen der steigenden Fallzahlen angedeutet: „Der Trendanstieg bei der Zahl der Insolvenzen ist vorerst gestoppt“, erklärte IWH-Experte Steffen Müller. Für Oktober erwartet er nochmals hohe Insolvenzzahlen, in den kommenden Monate werde sich aber das Insolvenzgeschehen auf hohem Niveau konsolidieren. Ähnlich sieht es die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK): „Rückläufige Exporte, insbesondere in die USA, sinkende Industrieproduktion und eine maue Konjunktur – das alles sind keine guten Nachrichten für den hiesigen Wirtschaftsstandort“, sagte DIHK-Chefanalyst Volker Treier mit Blick auf den höchsten Juli-Wert seit zwölf Jahren. Er erwartet, dass im Gesamtjahr 2025 mehr als 22.000 Unternehmen Insolvenz anmelden müssen – „das entspricht durchschnittlich über 60 Insolvenzen pro Tag“.
Die Insolvenz sei meist das Ergebnis eines längeren Prozesses – nicht einer einzelnen Ursache, betont Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Zu den Hauptursachen gehörten Veränderungen im Konsumverhalten der Kunden und damit einhergehend fehlende Anpassungen des Geschäftsmodells sowie strukturelle Nachfolgeprobleme. „Wenn dann noch externe Ereignisse wie Lieferkettenstörungen, Naturkatastrophen oder geopolitische Krisen dazukommen, können solche Störungen zu erheblichen finanziellen Engpässen führen.“ Der bürokratische Aufwand fungiere „allenfalls als Krisenbeschleuniger“.
Unter den Wirtschaftszweigen gab es im September erneut im Bereich Verkehr und Lagerei die meisten Pleiten: Die Wiesbadener Statistiker verzeichneten hier 12,7 Fälle je 10.000 Unternehmen. Danach folgten das Gastgewerbe sowie die Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen zählen, mit je 9,9 Insolvenzen. Insgesamt gingen in Deutschland im Juli 6,3 von 10.000 Unternehmen in die Insolvenz.
