Firmenpleiten auf 10-Jahreshoch

„Insolvenzwelle rollt weiter“

Immer mehr Firmen rutschen in die Pleite – ab 2026 dürfte sich das Insolvenzgeschehen aber etwas beruhigen. Wenn der lang ersehnte, vom Staat getriebene Aufschwung einsetzt. Das DIW kappt dennoch die Prognosen.

„Insolvenzwelle rollt weiter“

Insolvenzen auf 10-Jahreshoch

DIW senkt Konjunkturprognose

ba Frankfurt

Kurz vor Jahresende zeigt sich immer mehr, dass der Vertrauensvorschuss der deutschen Unternehmen in die Bundesregierung bröckelt, und die Hoffnung, dass der Investitionsturbo zündet, immer schwächer wird. Ökonomen setzen daher reihenweise ihre Prognosen nach unten. In der Firmenlandschaft machen sich die nun drei Jahre schrumpfender und stagnierender Wirtschaft durch die steigenden Insolvenzzahlen und den sich eintrübenden Arbeitsmarkt bemerkbar.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) vermeldet für November einen Zuwachs der beantragten Regelinsolvenzen um 5,7% gegenüber dem Vorjahresmonat. Nachdem die Anträge erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen, der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags aber in vielen Fällen annähernd drei Monate davor liegt, gibt es endgültige Daten erst September. Hier verzeichneten die Amtsgerichte ein Plus um 6,7% auf 1.940 beantragte Unternehmensinsolvenzen.

Als erfreulich wertet Markus Kuger, Chefvolkswirt des Warenkreditversicherers Coface, dass sich der Anstieg der Insolvenzen verlangsamt hat und die Rate einstellig war – wenn auch erst das dritte Mal in diesem Jahr, sonst war sie zweistellig.  Allerdings, so mahnt er, werde 2026 ein weiter schwieriges Jahr, auch wenn das Wirtschaftswachstum zunehme.

Weniger Großpleiten

Für die ersten drei Quartalen des Jahres 2025 haben die Amtsgerichte über insgesamt 18.125 beantragte Unternehmensinsolvenzen berichtet. Das sind nicht nur 11,7% mehr als im Vorjahreszeitraum, sondern der höchste Stand nach neun Monaten seit 2014, als es 18.199 Firmenpleiten gab. Die Forderungen der Gläubiger aus den vom ersten bis dritten Quartal 2025 gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf rund 40,1 Mrd. Euro. Dass es im Jahresvergleich zwar mehr Insolvenzen, aber geringere Forderungen gab – 2024 waren es nach drei Quartalen rund 45,6 Mrd. Euro – erklären die Wiesbadener Statistiker damit, dass „dass in den ersten drei Quartalen 2024 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt haben“ als im Vergleichszeitraum 2025. Coface-Chefvolkswirt Kuger erwartet dennoch im Jahresvergleich höhere Forderungen als die 2024 ermittelten 57,9 Mrd. Euro – „denn noch fehlen drei Monate“.

Im Zeitraum bis September gab es insgesamt 52,2 Pleiten bezogen auf 10.000 Unternehmen. Am stärksten betroffen war der Wirtschaftsabschnitt Verkehr und Lagerei (98,0 Fälle), gefolgt vom Gastgewerbe (79,7 Fälle) sowie dem Baugewerbe (79,4 Fälle).

„Die Insolvenzwelle rollt weiter“, kommentierte DIHK-Chefanalyst Volker Treier. Er rechnet für das Gesamtjahr mit deutlich mehr als 23.000 Insolvenzen. Besonders kleine und mittelgroße Unternehmen gerieten in Schwierigkeiten – die rund 85% aller Betriebe hierzulande darstellen. „Ihr Ausfall hätte gravierende Folgen für Beschäftigung und regionale Strukturen“, mahnte Treier. „Die Ursachen sind klar: hohe Kosten, schwache Nachfrage, große Unsicherheit“, analysiert Treier. Kurzfristig sei leider keine Entspannung in Sicht, daher dürften die Insolvenzzahlen auch Anfang 2026 hoch bleiben.

Aufschwung, aber keine Erholung

Zumindest dürfte die Wirtschaftsleistung in den kommenden beiden Jahren wieder anziehen, angeschoben von den staatlichen Ausgaben. Das DIW Berlin will in seiner Winterprognose aber ausdrücklich nicht von einer Erholung sprechen, denn das würde Nachhaltigkeit implizieren, erklärte DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik: „Jetzt bahnt sich ein Aufschwung an – dank staatlicher Impulse, die die Bremse im Außenhandel vorerst wettmachen.“ Der expansive finanzpolitische Kurs der Bundesregierung überlagere aber die tiefgreifenden strukturellen Probleme nur und löse sie nicht.

DIW auf der optimistischeren Seite

Dennoch ist das DIW recht zuversichtlich, was die finanzpolitischen Annahmen angeht und gibt daher im Vergleich zu den anderen führenden Wirtschaftsforschungsinstituten eine etwas höhere Prognose ab: So dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 0,2% zulegen. 2026 und 2027 dürfte die Wirtschaft dann um 1,3% beziehungsweise 1,6% kräftig anziehen. Im Herbst hatten die Berliner noch 1,7% und 1,8% avisiert. Die Prognosen von Ifo, IfW, RWI und IWH bewegen sich für 2026 zwischen 0,8% und 1,0%, für 2027 dann zwischen 1,0% und 1,4%. Die Prognosekürzung erklärte Dany-Knedlik damit, dass der Fiskalimpuls auf den privaten Sektor im ersten Halbjahr schwächer ausgefallen war und sich zugleich die strukturellen Faktoren als verheerender erwiesen haben, als noch im Herbst gedacht – „vor allem bei der privaten Investitionstätigkeit“.

„Die Lücke zum Wachstumspotenzial schließt sich etwas“, erklärte DIW-Chef Marcel Fratzscher. Das DIW sei auch etwas optimistischer, was das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer angehe, sagte er unter Verweis auf die Bedeutung der Psychologie für die Wirtschaft. „Die Stimmung ist schlechter als die Realität.“

Inflation stabilisiert sich

Die Verbraucherpreisinflation dürfte in den Prognosejahren moderat bleiben, mit den Dienstleistungspreisen als Haupttreiber. Zum Jahresende hat sich die Entwicklung der Inflation „vorerst stabilisiert“, sagte Destatis-Chefin Ruth Brand. Im November lag die Inflationsrate in nationaler Rechnung unverändert bei 2,3%, die harmonisierte Jahresrate (HVPI) bei 2,6%. Damit bestätigten die Statistiker ihre Erstschätzung. Nachdem die Löhne 2026 und 2027 weiter steigen dürften – wenn auch weniger dynamisch –, sollten die Einkommen der privaten Haushalte gestärkt werden, heißt es beim DIW weiter.

Mehr Verbraucherinsolvenzen

Allerdings sind die Finanzpuffer vieler privater Haushalte nach den Jahren der Multikrise aufgebraucht, wie die Auskunftei Creditreform jüngst betont hatte. Und so meldet Destatis zudem einen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen: Im September waren es mit 6.123 um 7,9% mehr als im Vorjahr. In den ersten drei Quartalen ergab sich ein Anstieg um 8,3% auf insgesamt 57.824 Verbraucherinsolvenzen.