NOTIERT IN WASHINGTON

Interessenkonflikte ohne Ende

Nach der überraschenden Entlassung des früheren FBI-Direktors James Comey gab der Talkshowmoderator und politische Satiriker Stephen Colbert einen süffisanten und ebenso zutreffenden Kommentar ab. Colbert spielte auf Präsident Donald Trumps frühere...

Interessenkonflikte ohne Ende

Nach der überraschenden Entlassung des früheren FBI-Direktors James Comey gab der Talkshowmoderator und politische Satiriker Stephen Colbert einen süffisanten und ebenso zutreffenden Kommentar ab. Colbert spielte auf Präsident Donald Trumps frühere Realityshow “The Apprentice”, zu Deutsch “Der Lehrling”, an. Darin bewarben sich aufstrebende Manager um eine Position im weitläufigen Imperium Trumps. Am Ende jeder Episode schaute der Immobilienunternehmer einem der Kandidaten nach einem gescheiterten Managertest in die Augen und teilte ihm eiskalt mit “You’re fired!”. Ein Slogan, der übrigens so beliebt wurde, dass Trump sich dafür prompt das Urheberrecht sicherte. Nach Comeys Rausschmiss erinnerte Colbert mit einer durchaus stimmigen Variante an “diesen berühmten Spruch, mit dem unser Präsident früher Mitarbeiter vor die Tür setzte: Du bist gefeuert, denn Du bist nicht mein Schwiegersohn!”In der Tat grenzt der Einfluss, den der 36-jährige Immobilienunternehmer Jared Kushner auf den mächtigsten Politiker auf dem Erdball hat, ans Surreale. Obwohl er überhaupt keine politische Erfahrung hat, ist der Ehemann von Tochter Ivanka faktisch für die Nahostpolitik der US-Regierung verantwortlich. Eine Aufgabenverteilung, von der sich Außenminister Rex Tillerson seinerzeit zu der Aussage hinreißen ließ, dass er den Job eigentlich gar nicht gewollt hatte. Angenommen habe er Trumps Offerte, weil seine Gattin überzeugt war, “dass Gott noch diese eine Berufung für mich hat”.Kushner agiert aber nicht nur als Nahostbeauftragter der Regierung. Er leitet außerdem das neu geschaffene “Office of American Innovation”, das mit der Neuerfindung des staatlichen Verwaltungsapparats betraut ist. Dort soll er sich unter anderem um Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für Arbeitskräfte sowie die Anliegen der Kriegsveteranen kümmern. Keine Position des Tausendsassas ist aber so wichtig wie die des De-facto-Chefberaters des Präsidenten. Im Tauziehen mit Stephen Bannon, dem rechtsgerichteten ehemaligen Chef der Website Breitbart, behielt Kushner eindeutig die Oberhand. Er ließ Bannon aus dem Nationalen Sicherheitsrat entfernen und hat damit allen Skeptikern in Washington gezeigt, wer im Weißen Haus wirklich das Sagen hat.Natürlich kann es vorkommen, dass der Machtrausch dem Multimillionär ein wenig zu Kopfe steigt und ihn glauben lässt, dass er unbezwingbar ist. Die Unverfrorenheit des Kushner-Clans hat nun aber dazu geführt, dass sich der wohl zweitmächtigste Mann im Lande aufs Glatteis begeben hat. Bei Megaveranstaltungen in Peking und Schanghai hat nämlich Kushners Schwester Nicole versucht, wohlhabende chinesische Anleger anzuwerben, die in das Immobilienimperium der Familie Kushner investieren sollten. Für sich genommen ein legitimes geschäftliches Anliegen. Das Problem: Bei den Werbeveranstaltungen wurden reichen Chinesen als Gegenleistung für ihre Investitionen in Kushners Liegenschaften Visa vom Typ EB-5 versprochen, auch als “goldene Visa” bekannt. Wer also mindestens eine halbe Million Dollar in eines der Projekte des Schwiegersohns von Trump steckt, würde ein Visum bekommen, das den Weg bereitet für die immer schwerer erhältliche “Green Card” und somit für die spätere Einbürgerung in die USA. Noch dreister: Um dem Werbetrick Legitimität zu verleihen, wurden Poster mit Fotos des amtierenden amerikanischen Präsidenten verwendet.Von den Fotos von Trump will das Weiße Haus natürlich nichts gewusst haben. Formgerecht verteidigte man auch Kushner, der sich ebenso wie der Präsident natürlich niemals inkorrekt verhalten habe. Auch hat sich die Familie zwischenzeitlich entschuldigt. Weniger Toleranz zeigen aber misstrauische Demokraten – ebenso wie einige Republikaner. “Das ist nichts anderes als pure Korruption” schimpfte der Jura-Professor Richard Painter, der Präsident George W. Bush als Berater in ethischen Fragen diente. Painter ließ via Twitter seinem Ärger freien Lauf. Dort schrieb er, dass der neu gewählte französische Präsident Emmanuel Macron “verlangen sollte, dass die Freiheitsstatue an Frankreich zurückgegeben wird”. An deren Stelle solle “eine Statue von Jared Kushner treten, der seine Hände aufhält”.