„Investitionsbooster“ schiebt Wirtschaft an
„Investitionsbooster“ schiebt Konjunktur an
Institute erhöhen Wachstumsprognosen − Inflation pendelt um das EZB-Preisziel
Die angekündigten Impulse der neuen Bundesregierung und die Hoffnung auf ein glimpfliches Ende des Zollstreits lassen den Konjunkturoptimismus steigen. Etliche Wirtschaftsforschungsinstitute erhöhen die Wachstumsprognosen. Die Inflation sehen sie auf gutem Weg. Die Investitionen dürften zulegen.
ba Frankfurt
Der „Investitionsturbo“ der neuen Bundesregierung schürt die Konjunkturhoffnungen der Ökonomen. Deren Sommerprognosen fallen um einiges freundlicher aus als noch jene vom Frühjahr. Mehrheitlich wird für das laufende Jahr ein Wachstum von 0,3% erwartet. Die Prognosen für das kommende Jahr laufen hingegen auseinander. Bei der Inflation und dem Jobmarkt herrscht wieder Einigkeit: Im Prognosezeitraum werde das Preisziel der EZB von 2% erreicht bzw. vor allem wegen der niedrigeren Energiepreise kurzfristig unterschritten, der Arbeitsmarkt dürfte sich wieder beleben.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und die Industrieländerorganisation OECD zeigen sich mit 0,4% für 2025 am optimistischsten. Die für 2026 ebenfalls übereinstimmend prognostizierten 1,1% liegen hingegen eher am unteren Rand. Das Ifo-Institut erwartet für das laufende Jahr ein Wachstum von 0,3%. Im kommenden Jahr sollen es dann 1,5% werden. Das sind 0,1 bzw. 0,7 Prozentpunkte mehr als zuletzt. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) schraubte die Prognosen auf 0,3% und 1,6% nach oben. In der Frühjahrsprojektion standen eine Stagnation und eine Rate von 1,5%. Das RWI aus Essen schwimmt mit 0,3% im Jahr 2025 und 1,5% im Jahr 2026 mit der Masse mit. Bis zum Ende des Jahrzehnts allerdings lässt das errechnete Potenzialwachstum auf Raten von je 0,3% schließen.
„Tiefpunkt erreicht“
„Die Krise der deutschen Wirtschaft hat im Winterhalbjahr ihren Tiefpunkt erreicht“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Ein Grund für den Wachstumsschub sind die angekündigten Fiskalmaßnahmen der neuen Bundesregierung.“ Der zunehmende Optimismus, der sich in der aufgehellten Unternehmensstimmung zeigt, „speist sich vermutlich auch aus der Hoffnung, dass mit der neuen Koalition der wirtschaftspolitische Stillstand endet und es im Handelsstreit mit den USA zu einer Einigung kommen wird“. Bereits zu Jahresbeginn hatte das BIP wegen der Vorzieheffekte infolge der angedrohten und verhängten Zölle um 0,4% zugelegt. Treiber des Wachstums waren neben den Exporten der private Konsum und die Investitionen.
Die Bundesbank hingegen hat letztens die BIP-Prognose für das laufende Jahr gekappt und rechnet nun mit einer Stagnation. Zuvor waren es Plus 0,2%. Für 2026 werden 0,7 (zuvor: 0,8)% erwartet. Auch die Wirtschaftsweisen zeigten sich skeptischer − sie erwarten nach der Stagnation in diesem Jahr ein Wachstum von 1,0% im kommenden Jahr.
Taten erwartet
Die von der Bundesregierung angestoßenen Maßnahmen werden von den Ökonomen positiv bewertet, auch wenn es durchaus noch Nachbesserungsbedarf gibt: „Um jedoch nachhaltig mehr Investitionen und einen deutlich spürbareren Konsum anzustoßen, muss die Regierung allerdings noch weitere Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen Reformen der sozialen Sicherungssysteme genauso wie ein konsequenter Bürokratieabbau.“ heißt es beim RWI. Die OECD empfiehlt, die Bürokratielasten der Unternehmen und die regulatorischen Wettbewerbshindernisse zu verringern und den Fachkräftemangel zu beheben, um „das Wirtschaftswachstum zu beleben und deutschlandweit einen hohen Lebensstandard zu sichern“. Sämtliche Institute betonen, dass den Ankündigungen der Bundesregierung auch Taten folgen müssten.
Fiskalpolitik versus Zolleffekt
Das IfW Kiel unterstellt in ihrer Prognose, dass die expansive Finanzpolitik 2026 die Wachstumsrate um etwa 0,8 Prozentpunkte erhöhen und die höheren US-Zölle die Expansion in diesem und im kommenden Jahr um zusammengenommen 0,3 Prozentpunkte dämpfen wird. In München werden die Impulse aus der Ausweitung der Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben, den Entlastungen durch beschleunigte Abschreibungen, Steuersenkungen, niedrigeren Netzentgelte sowie einer höheren Pendlerpauschale mit 10 Mrd. Euro im Jahr 2025 und mit 57 Mrd. Euro im Jahr 2026 bewertet. Sollten die bereits verhängten US-Importzölle auf dem jetzigen Niveau bleiben, dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr um 0,1 bzw. 0,3 Prozentpunkte gedämpft werden.
In einem absoluten Worst-Case-Szenario, in dem sämtliche Zölle wie von US-Präsident Donald Trump angedroht in Kraft treten, würden deren Folgen den fiskalischen Schub zunichte machen, erklärt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „In dem Fall wäre die Erholung dahin und wir würden weitere zwei Jahre in der Stagnation verharren“.
„Aber nicht nur das BIP nimmt als Folge der Fiskalmaßnahmen zu, sondern auch die Preise − insbesondere in der Bauwirtschaft und den konsumnahen Bereichen“, erklärte Wollmershäuser. Die Gelder für Rüstung und Infrastruktur träfen auf Bereiche, die sehr gut ausgelastet seien und eine sehr gute Auftragslage hätten. Daher würde nur ein Teil in einer realen Ausweitung münden. Die Inflationsrate sehen die Institute aber weiter abflauen. „Angesichts der steigenden Einkommen wird der private Konsum in diesem und im kommenden Jahr merklich zulegen, zumal sich die Kaufkraft der privaten Haushalte durch die niedrigeren Energiepreise erhöht“, heißt es beim IfW. Auch die Unternehmen werden nach und nach mehr investieren. Mit der Konjunkturerholung erwarten die Institute, dass die Arbeitslosenquote 2026 wieder sinkt.
Trump bleibt Hauptrisikofaktor
Als Risikofaktor Nummer 1 gilt Ökonomen die Handelspolitik: „Die erratische Zollpolitik der USA erhöht weiter die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft, “erklärte IfW-Präsident Moritz Schularick. Auch IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller sieht hier ein „erhebliches Risiko für die deutsche Konjunktur“. Zudem verlange der Konflikt der USA mit China der hiesigen Wirtschaft „einen besonderen Spagat ab, denn sie ist mit Produzenten in beiden Wirtschaftsräumen eng verflochten“.
Ifo | IfW | RWI | IW Halle | ||||||
in % | 2024 | 2025 | 2026 | 2025 | 2026 | 2025 | 2026 | 2025 | 2026 |
BIP | -0,2 | 0,3 | 1,5 | 0,3 | 1,6 | 0,3 | 1,5 | 0,4 | 1,1 |
Arbeitslosenquote | 6.0 | 6,3 | 6,1 | 6,3 | 6,1 | 6,3 | 2,6 | 6,3 | 6,2 |
Inflationsrate | 2,2 | 2,1 | 2,0 | 2,2 | 1,6 | 2,2 | 2,0 | 2,0 | 1,9 |
Finanzierungssaldo des Staates* | -2,8 | -2,3 | -3,4 | -2,1 | -3,5 | -2,6 | -2,9 | -2,2 | -3,0 |
Leistungsbilanzsaldo* | 5,7 | 5,3 | 4,9 | 5,4 | 4,9 | 5,1 | 5,0 | 5,5 | 5,1 |
*) in % des BIP |