Italien gewinnt an Glaubwürdigkeit

Italien steht besser da als erwartet

Italien hat international deutlich an Glaubwürdigkeit gewonnen. Das liegt auch an der soliden Haushaltspolitik von Finanzminister Giancarlo Giorgetti

Italien steht besser da als erwartet

Italien hat an Vertrauen gewonnen

Rom legt diese Woche den Budgetentwurf für 2026 vor – Defizit sinkt und die Refinanzierungskosten gehen zurück

Italien hat dank einer solideren Haushaltspolitik an den Märkten deutlich an Vertrauen gewonnen. Das schlägt sich auch in günstigeren Refinanzierungskosten nieder. Die Regierung, die in dieser Woche den Budgetentwurf vorliegen will, rechnet mit einem Defizit von unter 3%. Doch die Schulden steigen wieder.

bl Mailand

In dieser Woche legt Italiens Regierung den Entwurf für den Haushalt 2026 vor. Trotz der geplanten Senkung der Einkommensteuer für Einkommen zwischen 28.000 und 60.000 Euro, deren Finanzierung noch unklar ist, dürfte das Haushaltsdefizit von 3,4% im vergangenen Jahr auf etwa 3% in diesem Jahr sinken. Damit ist das eingeleitete EU-Defizitverfahren wohl Makulatur.

Italien hat zuletzt erheblich an finanzpolitischer Glaubwürdigkeit gewonnen. Die Verschuldung ging seit der Coronakrise um 20 Prozentpunkte auf etwa 135% des Bruttoinlandsprodukts zurück. Die Beschäftigungsquote steigt seit Jahren. Der Zinsabstand (Spread) gegenüber Deutschland ist bei zehnjährigen Anleihen zeitweise auf unter 80 Basispunkte, dem niedrigsten Niveau seit 15 Jahren, gesunken. Mit 3,5% refinanziert sich Rom jetzt auf dem Niveau des französischen Staates. Und die Ratingagenturen haben ihre Bewertungen deutlich angehoben. Fitch bewertet Italien jetzt mit „BBB+“ und einem positiven Ausblick.

Stabile Regierung

Rom hat die positive Entwicklung mehreren Faktoren zu verdanken. Einer ungewöhnlich stabilen Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni, die seit dem Herbst 2022 im Amt ist und gute Chancen hat, 2027 bestätigt zu werden. Dank der rund 200 Mrd. Euro aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm NextGeneration, weiterer 200 Mrd. Euro aus nationalen Programmen wie der äußerst großzügigen Förderung der ökologischen Sanierung von Gebäuden sowie üppiger Einnahmen aus dem Tourismus konnte sie in den letzten Jahren aus dem Vollen schöpfen. Außerdem stiegen die Ausfuhren des zweitgrößten Exporteurs der EU auf jährlich 625 Mrd. Euro. Zumindest bis Anfang 2023 wuchs Italien stärker als andere Länder. Die Steuereinnahmen sprudelten üppiger als erwartet. Und aufgrund niedrigerer Zinsen und des sinkenden Zinsabstands zu Deutschland sank der Schuldendienst. Allein 2025 und 2026 zahlt Rom gegenüber ursprünglichen Planungen 4,3 Mrd. Euro weniger für Zinsen.

Umsichtige Politik

Dazu kam eine relativ umsichtige Politik von Finanzminister Giancarlo Giorgetti. Statt, wie in der Vergangenheit, großzügig Steuergeschenke zu verteilen, reduzierte er die Schulden. Allerdings trug dazu auch eine zeitweise höhere Inflation bei.

Aktienmarkt läuft

Wie stark Italiens Glaubwürdigkeit gewachsen ist, zeigt sich nicht nur am Anleihe-, sondern auch am Aktienmarkt. Er entwickelte sich in den letzten Jahren deutlich besser als die Börsen in anderen Ländern. Italien hat an den Märkten an Vertrauen gewonnen.

Das kann sich rasch ändern und das liegt nicht nur an der geopolitischen Lage, sondern hat auch innenpolitische Gründe. Denn zur Finanzierung der Steuersenkungen etwa will Rom die „Übergewinne“ der Banken von 130 Mrd. Euro in den vergangenen drei Jahren heranziehen. Ein Sonderbeitrag von bis zu 5 Mrd. Euro ist innerhalb der Regierung sehr umstritten und sendet nicht gerade ein Vertrauenssignal an Investoren.

Wachstum schwächt sich ab

Das ist misslich, denn das Wachstum schwächt sich ab. Im zweiten Quartal ist die Wirtschaft geschrumpft. Für dieses Jahr ist nur ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 0,5% zu erwarten, für 2026 ein Plus von 0,7%. Und die deutlich höheren Schulden als in Frankreich steigen – weil die Kosten für die Maßnahmen zur ökologischen Sanierung zu Buche schlagen und die Kosten für das Rentensystem explodieren. Grund dafür sind teilweise noch immer großzügige Vorruhestandsregelungen. Die Beschäftigungsquote bei den über 60-Jährigen ist viel höher als in anderen Ländern.

Nun wird darüber nachgedacht, die Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung 2027 auszusetzen. Dabei schrumpft die erwerbsfähige Bevölkerung: In den kommenden zehn Jahren scheiden 6,1 Millionen Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt aus. Bis 2040 werden die Kosten für das Rentensystem von 15 auf 17% des Bruttoinlandsprodukts steigen. Italien gibt deutlich mehr für das Rentensystem aus als andere Länder. Auch die Beschäftigungsquote ist in Italien niedriger als anderswo.

Reformen nicht umgesetzt

Reformen, die die EU zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verlangt, werden nicht umgesetzt – ob es um Strandbadkonzessionen, den Taximarkt, den Energie- oder den regionalen Bahnmarkt geht. Die Produktivität stagniert seit über 20 Jahren. Die Realeinkommen sind gesunken.

Derzeit steht Italien zwar relativ gut da. Doch die Rahmenbedingungen verschlechtern sich etwa mit den US-Strafzöllen drastisch und die demografische Entwicklung gibt mit einer Geburtenrate von 1,18 Kindern je Frau Anlass zu Besorgnis. Es gibt also kein Argument, einen Einäugigen unter vielen Blinden zum neuen starken Mann in Europa auszurufen.