KI dünnt die Belegschaften aus
KI dünnt die Belegschaften aus
Unternehmen erkennen immer mehr Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz – Produktivität steigt, Beschäftigung sinkt
lz Frankfurt
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in deutschen Unternehmen nimmt langsam Fahrt auf, wie jüngste Studien von KPMG, der Bertelsmann-Stiftung und des Ifo-Instituts zeigen. Die Manager versprechen sich davon neben einer Verbesserung und Ausweitung ihrer Angebote vor allem eine höhere Produktivität, was einhergeht mit Stelleneinsparungen bei gleicher Leistung, höherer Leistung bei gleichbleibender Belegschaft, oder mehr Umsatz, weil durch KI auch völlig neue Geschäftsfelder für das Unternehmen erschlossen werden können.
Eine Umfrage des Ifo-Instituts gibt Auskunft über die Größenordnung dieses Strukturwandels: Mehr als ein Viertel der Unternehmen geht davon aus, dass KI in den kommenden fünf Jahren unterm Strich zu einem Abbau von Stellen führen wird. Nur 5,2% rechnen mit zusätzlichen Jobs; zwei Drittel erwarten keine Veränderung. „Momentan loten die Unternehmen aus, in welchen Feldern KI Produktivitätsgewinne bringt. Bis sich das in messbare Effekte auf dem Arbeitsmarkt übersetzt, wird es noch ein paar Jahre dauern“, kommentiert Ifo-Chef Clemens Fuest das Ergebnis.
Reduktion der Stellen um 8%
Wenn es in der Wirtschaft zu einem Stellenabbau komme, erwarteten die betroffenen Unternehmen der Umfrage zufolge im Durchschnitt eine Reduktion um rund 8%, schildert Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Inzwischen würden langsam aber auch positive Beschäftigungsimpulse sichtbar: In technologienahen Dienstleistungen wie IT oder Informationsverarbeitung rechneten einzelne Unternehmen bereits mit einem Aufbau – mit erwarteten Zuwächsen von teils über 10%.

Nach Einschätzung von Wohlrabe wird KI „nicht nur zum Rationalisierungsinstrument, sondern auch zum Ausgangspunkt neuer Tätigkeitsprofile“. Allerdings seien die positiven Beschäftigungseffekte aktuell noch sehr moderat. Entscheidend sei, die entstehenden Produktivitätsgewinne in breiten Wohlstand zu übersetzen – ohne größere Verwerfungen in bestimmten Berufsgruppen zu erzeugen.
Flauer Jobmarkt für KI-Experten
Inwieweit im Bereich KI selber neue Jobs geschaffen werden, daran gibt es nach einer Auswertung der Bertelsmann-Stiftung zumindest mit Blick auf Deutschland Zweifel: Seit 2022 stagniert das Jobangebot für KI-Experten auf niedrigem Niveau bei 1,5% aller Stellenanzeigen. Zwischen 2019 und 2022 hatte sich das Jobangebot für KI-Anwendungen und Entwicklung von 97.000 auf 180.000 nur verdoppelt.
„Die wirtschaftlichen Chancen von KI werden in Deutschland noch nicht genutzt“, erklärte Hannes Ametsreiter, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. KI könne die Produktivität in Deutschland gesamtwirtschaftlich um 16% steigern. „Wenn KI in Unternehmen nicht stärker eingesetzt wird, verlieren wir an internationaler Wettbewerbsfähigkeit“, warnte Ametsreiter.
Schwerpunkt im Süden
Besonders viele Onlineanzeigen mit KI-Bezug gibt es der Studie zufolge in München mit einem Anteil von 4,5% am Gesamtmarkt. Dahinter liegen Karlsruhe und der Landkreis Böblingen. Generell ist der Süden und Südwesten ein „KI-Schwerpunkt“, erklärten Bertelsmann Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das die Auswertung durchführte. Dort sind Automobilindustrie und deren Zulieferer besonders stark vertreten. Gleiches gilt für die Rhein-Ruhrschiene und den Großraum Berlin. Abgeschlagen indes sind die ländlichen Regionen.
Offenbar erschwert KI auch den Berufseinstieg. Dario Amodei, CEO des KI-Unternehmens Anthropic, prognostiziert, dass Künstliche Intelligenz innerhalb der nächsten fünf Jahre womöglich gerade die Hälfte der Einstiegsjobs verdrängen könnte. Allerdings könnte dies angesichts des bevorstehenden Renteneintritts der Babyboomer auch durchaus entlastend wirken: Da Millionen Arbeitskräfte in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden, könnte KI dazu beitragen, einige der entstehenden Lücken zu schließen, weil weniger Nachwuchs nachkommt.
Allerdings sind alle aktuellen Umfragen und Einschätzungen Momentaufnahmen einer Entwicklung, die sich erst noch weiter strukturiert und an Fahrt aufnimmt, wie eine Studie der Unternehmensberatung KPMG zeigt. Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in die Technologie ist danach bereits auf einem hohen Niveau und nimmt weiter zu. Vor allem zeigt sich, dass Trusted AI – also vertrauenswürdige, nachvollziehbare und ethisch fundierte KI – offenbar zum entscheidenden Erfolgsfaktor wird, sofern die Unternehmen es schaffen, ihre Mitarbeiter entsprechend heranzuführen, um die Potenziale von KI auszuschöpfen.
Der Studie zufolge haben 69% der von KPMG befragten Unternehmen bereits eine KI-Strategie formuliert und aufgesetzt. 72% planen eine Erhöhung der Investitionen in diese Technologie. Die meisten erhoffen sich vor allem Innovationen, schnellere Datenanalysen, noch mehr Automatisierung, neue Produkte und bessere Ausschöpfung des Marktes sowie Umsatzsteigerungen.