LeitartikelWiderstand der EU-Kommission

Lufthansa bläst der Wind ins Gesicht

Die EU-Kommission steht der Übernahme der ITA durch die Lufthansa kritisch gegenüber. Sie hat dabei den europäischen Wettbewerb im Auge, die Lufthansa aber muss im globalen Konkurrenzkampf bestehen und braucht dafür auch Übernahmen.

Lufthansa bläst der Wind ins Gesicht

Lufthansa/ITA

Im globalen Gegenwind

Von Lisa Schmelzer

Die EU-Kommission hat den Wettbewerb in Europa im Auge, aber die Lufthansa muss im globalen Konkurrenzkampf bestehen.

Ein Gedankenspiel zum Anfang: Stellen Sie sich vor, Ihr bester Freund fährt einen teuren Sportwagen. Ab und zu nimmt er auch Ihre Kinder mit zum Fußballtraining. Bei einer Aufstellung Ihrer Vermögenswerte müssen Sie deshalb den Sportflitzer des Freundes mit in die Haben-Liste nehmen. Absurd? Nicht wirklich, denn so ähnlich geht es gerade der Lufthansa: Weil sie auf einem Teil der Langstreckenflüge mit United Airlines kooperiert, zählen die Verbindungen des US-Carriers zwischen Nordamerika und Europa in den Augen der EU-Kommission als Langstreckenflüge der Lufthansa. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich die Angebote von deutscher Airline und ITA, bei der die Lufthansa einsteigen will, überschneiden. Und deshalb will die EU-Wettbewerbsbehörde dem Deal dem Vernehmen nach einen Riegel vorschieben, sollte Lufthansa nicht zu weiteren Zugeständnissen bereit sein.

Es muss nach wie vor die Frage erlaubt sein, ob es aus Sicht der Lufthansa tatsächlich eine gute Idee ist, bei den Italienern einzusteigen. Die Vorgänger-Firma Alitalia hat jahrzehntelang Verluste eingeflogen, und auch beim Nachfolger ITA läuft es nur so lala. Die Politik redet gerne und viel mit, die italienischen Gewerkschaften gelten als äußerst streitbar. Die Lufthansa hat mit Air Dolomiti einen eigenen Ableger in Italien, der die Aufgaben übernehmen könnte, die für die ITA vorgesehen sind − nämlich das Füttern der Langstreckenflüge ab Frankfurt, München, Zürich und Wien. Die Lufthansa weiß hoffentlich, was sie da tut, und es ist nicht Sache der Wettbewerbsbehörden, eine Firma vor unternehmerisch unsinnigem Handeln zu bewahren. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, so kann man es nachlesen, effizient funktionierende Märkte in der EU durch den Schutz des Wettbewerbs sicherzustellen. Bleibt die Frage, ob eine Kombination Lufthansa/ITA den Wettbewerb behindert oder nicht.

Sicherlich hätte eine vergrößerte Lufthansa grundsätzlich mehr Marktmacht. Die Wahrheit ist aber auch, dass schon heute die drei Großen in Europa – neben Lufthansa, IAG und Air France – dermaßen dominant sind, dass mittelgroße Konkurrenten wie ITA oder die portugiesische TAP nur ein Schattendasein führen. Zumal sie nicht nur der Konkurrenz der Marktführer, sondern auch der der stark gewachsenen Low-Cost-Carrier ausgesetzt sind. Zwischen den wendigen Billigheimern und den großen Airline-Blöcken werden Unternehmen wie ITA, TAP und viele andere seit Jahren zerrieben. Können sie nirgends andocken, werden sie vom Markt verschwinden – mit allen negativen Folgen für den Arbeitsmarkt des jeweiligen Heimatlandes und dessen Anbindung an den Rest der Welt, aber auch für den Wettbewerb.

Sollte im Übrigen aus besagten Gründen Lufthansa nicht zum Zuge kommen in Italien, würde das auch für Air France-KLM und IAG gelten. Denn alle großen europäischen Airlines sind in Kooperationen vor allem mit US-Partnern eingebunden und kämen damit wohl als Käufer für die ITA nach der Logik der Wettbewerbsbehörde nicht infrage. Und eben auch nicht für die TAP oder andere fusionswillige europäische Fluglinien. Die Konsolidierung käme zum Erliegen.

Um die Bedenken der EU-Kommission zu zerstreuen, müsste Lufthansa vermutlich aus dem Joint Venture mit United Airlines für den Nordatlantikverkehr aussteigen. Damit wäre aber das Geschäft auf diesem heiß umkämpften Markt für die deutsche Fluggesellschaft nicht mehr wirtschaftlich darstellbar – ein zu hoher Preis für die ITA-Übernahme.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr predigt die weitere Konsolidierung gerne als Allheilmittel und verweist dabei auf den US-Markt, wo sich die fünf Großen den Markt teilen – und davon sehr gut leben können. Wirklich weit davon entfernt ist man in Europa auch nicht, auch wenn Spohr weiter von Zersplitterung spricht. Stärker als den Wettbewerbern in den USA kommen den Europäern aber die Konkurrenten aus dem Mittleren und Nahen Osten sowie die asiatischen Anbieter ins Gehege. Um sich vor allem für diesen globalen Wettbewerb zu stärken, müssen Übernahmen in Europa weiter möglich sein.