Konjunktur

Kreditvergabe in Euroland verliert Schwung

Die Kreditvergabe steht aktuell im besonderen Fokus in Euroland – wegen der Zinserhöhungen der EZB und der Bankenturbulenzen im März. Vor der wichtigen EZB-Sitzung gab es nun eine Menge neuer, spannender Kreditdaten.

Kreditvergabe in Euroland verliert Schwung

Kreditvergabe in Euroland verliert Schwung

Banken verschärfen Standards zu Jahresbeginn deutlich – Weniger Ausleihungen im März

ms Frankfurt

Die beispiellosen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Juli vergangenen Jahres und die jüngsten Bankenturbulenzen hinterlassen Spuren bei der Kreditvergabe im Euroraum. Das zeigen die am Dienstag veröffentlichte vierteljährliche EZB-Umfrage zur Kreditvergabe (Bank Lending Survey, BLS) und neue Daten zur Kreditentwicklung im Euroraum im März. Beides spricht tendenziell dafür, dass die EZB am Donnerstag das Tempo ihrer Leitzinserhöhungen von zuletzt 50 auf 25 Basispunkte drosseln könnte.

Die neuen Kreditdaten waren vor der EZB-Zinssitzung mit noch größerer Spannung als sonst erwartet worden, weil sie Aufschluss darüber geben sollten, wie sehr sich die Zinserhöhungen um insgesamt 350 Basispunkte bereits niederschlagen und welche Folgen die Bankenturbulenzen im März sowie die daraus resultierende zusätzliche Verschärfung der Kreditkonditionen für die Kreditvergabe haben. Die Daten zeigen nun an, dass die Geldpolitik zunehmend wirkt und sich auch die Bankenunruhe auswirkt. Zugleich dämpfen sie ein wenig Sorgen vor einer regelrechten Kreditklemme.

Gemäß dem neuen BLS verschärften die Banken im Euroraum ihre Kreditstandards für Unternehmen im ersten Quartal noch einmal deutlich. Der Saldo zwischen jenen Banken, die eine Verschärfung berichteten, und jenen, die eine Lockung berichteten, lag in den ersten drei Monaten bei 27 Prozentpunkten (siehe Grafik) – genau wie im Schlussquartal 2022. Das bedeutet laut EZB die stärkste Verschärfung seit der Euro-Schuldenkrise im Jahr 2011. Ende 2022 hatten die Banken mit einer weniger starken Verschärfung gerechnet. „Die Verschärfung deutet auf eine anhaltende Abschwächung der Kreditdynamik hin“, erklärte die EZB.

Als wesentliche Gründe für die Verschärfung führten die Banken laut EZB gesamtwirtschaftliche und firmenspezifische Risiken an. Eine Rolle gespielt haben demnach aber auch höhere Finanzierungskosten der Banken infolge der EZB-Zinserhöhungen und der geringeren Liquiditätsbereitstellung durch die Notenbank. Für das zweite Quartal erwarten die Banken eine weitere Verschärfung der Standards, allerdings nicht mehr in dem Ausmaß wie zu Jahresbeginn.

Laut der EZB-Umfrage gab es im ersten Quartal zudem einen deutlichen Rückgang bei der Kreditnachfrage der Unternehmen. Der entsprechende Saldo fiel von zuvor −12 auf −38 Prozentpunkte. Wie die EZB mitteilte, ist das der stärkste Rückgang der Nachfrage seit dem Schlussquartal 2008, also zur Zeit der Weltfinanzkrise. Auch dieser Rückgang fiel stärker aus als erwartet. Als wesentlichen Grund führten die Banken das steigende Zinsniveau infolge der geldpolitischen Straffung an. Für das zweite Quartal erwarten die Banken einen weiteren, aber geringeren Rückgang der Kreditnachfrage.

„Die BLS-Daten vom Mai sind ein weiterer Beleg dafür, dass der restriktive geldpolitische Kurs auf die Wirtschaft des Eurogebiets durchschlägt“, sagte Jens Eisenschmidt, Europa-Chefvolkswirt bei Morgan Stanley und selbst lange Jahre Ökonom bei der EZB. Zugleich sagte Eisenschmidt: „Der BLS zeigt, dass der europäische Bankensektor zum jetzigen Zeitpunkt weit von einem Szenario der Kreditklemme entfernt ist.“ Damit steht er nach verbreiteter Einschätzung auch einer weiteren Zinserhöhung nicht im Wege.

Im März schwächte sich die Kreditvergabe bereits ab, wie aus neuen, monatlichen Geldmengen- und Kreditdaten der EZB von Dienstag hervorgeht. Die Banken im Euroraum vergaben demnach 5,2% mehr Darlehen an Firmen als vor Jahresfrist. Im Februar hatte das Wachstum noch bei 5,7% gelegen. An die Privathaushalte reichten sie im März 2,9% mehr Kredite aus als vor Jahresfrist. Unterdessen wuchs die Geldmenge M3 im März laut EZB um 2,5%. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich einen Zuwachs von 2,4% erwartet – nach zuvor 2,9%.