NOTIERT IN WASHINGTON

Kritische Masse

Daran, dass das Personalkarussell in der Regierung von US-Präsident Donald Trump sich scheinbar unaufhaltsam dreht, ist nichts neu. Problematisch ist allerdings, dass dies in einem staatlichen Verwaltungsapparat geschieht, der auf höchster Ebene...

Kritische Masse

Daran, dass das Personalkarussell in der Regierung von US-Präsident Donald Trump sich scheinbar unaufhaltsam dreht, ist nichts neu. Problematisch ist allerdings, dass dies in einem staatlichen Verwaltungsapparat geschieht, der auf höchster Ebene ohnehin dezimiert ist und Entlassungen, Rücktritte sowie freiwillige Verzichte bald kaum mehr zu verkraften sein werden. Rausgeschmissen hat Trump neben seinem früheren Außenminister Rex Tillerson auch den Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn sowie den Ex-Gesundheitsminister Tom Price. Von mehreren Pressesprechern, Kommunikationsdirektoren, persönlichen Beratern und Rechtsanwälten ganz zu schweigen. Ein Ende des Aderlasses ist nicht in Sicht. Viele wichtige Posten sind noch unbesetzt, und langsam reduziert sich die verbleibende Personaldecke auf kritische Masse. Die jüngsten Skandale ranken sich um Scott Pruitt, den Chef der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA), sowie Ronny Jackson, Trumps Leibarzt, dessen einst als sicher geltende Bestätigung durch den Senat nun schwer ins Wanken geraten ist. Pruitt steht schon seit Monaten auf der Abschussliste demokratischer Politiker und scheint langsam auch die Geduld des Präsidenten überstrapaziert zu haben. Der frühere Justizminister aus Oklahoma, der seinerzeit mehrfach jene Behörde verklagt hat, die er nun steuert, ist wie der Präsident ein Verfechter der Öl-, Erdgas- und Kohleindustrie. Der unter Trumps Vorgänger Barack Obama eingeleiteten Wende hin zu erneuerbaren Energien hat der Klimawandelleugner Pruitt den Kampf angesagt. Das alles ist ganz im Sinne des Präsidenten, dessen politische Basis teilweise in Staaten, die auf die fossile Energieindustrie angewiesen sind, ihre Heimat hat.Dass Pruitt aber regelmäßig auf Steuerzahlerkosten erster Klasse fliegt, in seinem Büro für 43 000 Dollar eine abhörsichere Telefonzelle installieren ließ, hätte ihn wohl in jeder anderen Administration den Job gekostet. Trump ließ das bisher alles durchgehen, weil der EPA-Direktor knallhart seine politische Agenda umsetzt. Zwar hat Pruitt den wachsenden Druck soweit aussitzen können, könnte aber nun Opfer einer neuen Entlassungswelle werden, die ausgerechnet Trumps Leibarzt Jackson unfreiwillig losgetreten hat. Der Konteradmiral der US-Marine arbeitet seit 2006 als Arzt im Weißen Haus und wurde von Obama zum Leibarzt des Präsidenten befördert. Obwohl er über keine Management-Erfahrung verfügt, designierte ihn Trump nach dem Rausschmiss des früheren Kriegsveteranenministers David Shulkin zu dessen Nachfolger. Eine wichtige Rolle dürfte gespielt haben, dass Jackson dem fast 72-jährigen Präsidenten exzellente Gesundheit bescheinigte und betonte, dass Trump “200 Jahre alt werden könnte, wenn er sich besser ernähren würde”. Was aber nun über jenen Mann, der schamlos das Ego des narzisstisch veranlagten Präsidenten umschmeichelte, an die Öffentlichkeit gelangte, könnte selbst Trump zu weit gegangen sein. Angeblich hat Jackson regelmäßig getrunken, als er im Dienst war, und in betrunkenem Zustand so laut gegen die Tür einer Mitarbeiterin geschlagen, dass sich der Secret Service einschalten musste. Auch wird ihm vorgeworfen, unnötig rezeptpflichtige Medikamente verschrieben zu haben. Demokraten haben durchblicken lassen, dass sie die Bestätigung Jacksons blockieren werden. Mittlerweile sind auch konservative Republikaner skeptisch geworden.Selbst Trump sagte kürzlich, dass er angesichts des wachsenden Drucks den Job gar nicht mehr anstreben würde, wenn er Jackson wäre. Andere Quellen melden, dass der Präsident seinen Leibarzt aufgefordert habe weiterzukämpfen und dieser zumindest vorläufig nicht auf die Position verzichten werde. So oder so ist nicht nur Jacksons Bestätigung äußerst fraglich. Auch hat der Zoff um den Arzt eine allgemeinere Debatte um zwielichtige Regierungsmitglieder entfacht und einen Bogen zurück zu EPA-Chef Pruitt geschlagen. Dessen Stuhl wackelt nun, weil der Präsident angeblich erwägt, mit einem Rundumschlag reinen Tisch zu machen. Akkurat kommentierte ein demokratischer Stratege, dass “wenn die Entlassungen in diesem Tempo weitergehen, der Präsident bald nur noch auf First Lady Melania, Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared als Berater wird zurückgreifen können”.