Künstliche Intelligenz auf den Spuren der New Economy
Künstliche Intelligenz auf den Spuren der New Economy
Künstliche Intelligenz auf den Spuren der New Economy
Die Investitionen in moderne Dateninfrastruktur laufen heiß, doch Produktivitätsgewinne stellen sich erst langsam ein – Ernüchterung macht sich breit
lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Das Schlagwort der „Künstlichen Intelligenz“ bewegt Märkte. Die neue Technologie verspricht eine neue Welt des Denkens und Handelns, soll Branchen verändern, Wirtschaftsstrukturen auf den Kopf stellen, bislang völlig unbekannte Produkte und Prozesse auf den Markt bringen – und letztendlich enorme Produktivitätsgewinne ermöglichen und damit natürlich auch viele Jobs überflüssig machen. In kaum einem anderen Bereich trifft so viel Begeisterung auf so große existentielle Ängste.
Wie bei anderen neuen Technologien üblich – man denke an Eisenbahn, Elektrizität oder Computer – sind die Versprechungen anfangs zu vollmundig, und läuft die Entwicklung langsamer vonstatten als gedacht. Alles verbunden mit Krisen bis zur Normalisierung, wie zuletzt Anfang 2000 mit der Dot-Com-Bubble. Dass im Moment eine Krise anstehen könnte, signalisiert der jüngste Ausdruck von Selbstreferentialität: Ein KI-Chip-Hersteller, Nvidia, investiert in einen KI-Entwickler, OpenAI, damit dieser mehr KI-Chips in Rechenzentren einsetzen kann.

Vorschnelle Prognosen
Aber auch volkswirtschaftlich wird der KI-Hype inzwischen mit etwas weniger Euphorie begleitet. Hatten noch vor einigen Monaten Beratungsunternehmen wie McKinsey einen Produktivitätssprung von 3% oder sogar mehr erwartet, scheinen die Analysten zuletzt vorsichtiger zu werden. Der Nobelpreisträger Daron Acemoglu hatte unlängst eher einen Wert zwischen 0,1 bis 0,4% veranschlagt. Die Wirtschaftsprüfer von PwC etwa schränken die positiven Wirkungen auf spezifische Branchen ein, und der Stanford-Report stellt auf den Effizienzgewinn durch Kooperation zwischen „künstlicher und humaner Intelligenz“ ab.
Mehr denn je werden inzwischen auch die Kosten der KI-Industrie hervorgehoben, mit Blick auf die enorm hohen Investitionen in Rechenzentren und den Energieverbrauch. Zudem dürften dessen Kosten hinsichtlich der Umweltverzehrung noch höher sein, als sie sich in den Energiekosten widerspiegeln.
„Ich kann verstehen, warum die Eigentümer der führenden KI-Unternehmen wollen, dass alle anderen Unternehmen KI einführen“, schreibt der frühere Goldman-Sachs-Ökonom Jim O’Neill. „Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Technologie uns dabei helfen wird, die größten und hartnäckigsten Herausforderungen zu bewältigen, denen unsere Gesellschaften gegenüberstehen.“ Wie beim Goldrausch würden im Moment eher die Hersteller von Schürfwerkzeugen profitieren, weniger die Goldsucher selbst.
In den Statistiken noch unsichtbar
Denn in den Produktivitätsstatistiken schlägt sich KI bislang nicht nieder. Das war aber auch in den 90er Jahren so, als immer mehr PCs Büros und Werkshallen bevölkerten. Der Ökonom Robert Solow fragte sich damals, warum er überall Informationstechnologie sehe, „nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“. Auch damals hatten Ökonomen zunächst einen enormen Effizienzsprung vorhergesagt, der so nicht eingetroffen ist. Der seinerzeitige CEO von Cisco, John Chambers, sagte voraus, dass 2010 die Hälfte des BIP auf das Internet entfallen und ein jährliches Wachstum von 5% für die USA ermöglichen werde.
Dass sich KI bisher der Produktivitätsmessung entzieht, führt der britische Ökonom und Regierungsberater Adair Turner auf das „Wettrüsten um Wettbewerbsvorteile“ zurück: Sobald KI in einer Branche und einem Unternehmen erfolgreich eingesetzt wird, zögen alle anderen unmittelbar nach: „Und wenn alle Konkurrenten das Gleiche tun, hilft das dem BIP nicht.“
„Superintelligenz“ ist Super
Die KI-Akteure selbst setzen inzwischen eher auf die „Superintelligenz“, eine KI, die sich selber weiterentwickeln kann, und dann tatsächlich alle gesellschaftlichen Strukturen umwälzen werde – und natürlich auch alle möglichen Gefahren heraufbeschwört, wie sie einschlägig in vielen Science-Fiction-Romanen beschrieben werden. Das vor Augen, räumt auch Meta-Chef Mark Zuckerberg ein, sei es ihm aber durchaus wert, „ein paar hundert Milliarden falsch auszugeben, als die Superintelligenz zu verpassen“, sagte er in einem Podcast von Vox Media. Und wenn sich aktuell eine Blase entwickelt wie in den 2000er Jahren? Auch wenn viele Menschen viel Geld verlieren würden, sagt er, so habe es auch damals Gewinner gegeben – meist allerdings die größeren Konzerne.
Auch eine MIT-Studie zur Nutzung von KI stellt den Produktivitätsgewinn durch KI infrage. Danach hat zwar die Adaption von KI weiter zugenommen, 95% der befragten Unternehmen gaben aber an, mit KI bislang keine zusätzlichen Einnahmen generiert zu haben. Im Gegenteil: Sie berichten von „Workslop“, eine Art „Arbeitsmüll“ durch KI, der überall anfällt. Es würden vielfach KI-generierte Dokumente erstellt, die zwar gut aussähen, für jene aber, die damit weiterarbeiten müssten, nur Mehrarbeit bedeuteten.
Womöglich kann KI eher da punkten, wo Ökonomen und KI-Konzerne es eher nicht sehen: „Wenn wir im Jahr 2070 dank einer KI-gestützten Beschleunigung des Wissenserwerbs über ein Wundermittel verfügen, das allen Menschen ein 100-jähriges Leben bei perfekter Gesundheit ermöglicht und in vollautomatischen Fabriken hergestellt wird, die durch billige Kernfusion angetrieben werden. Dann wird das für das globalen BIP fast keine Rolle spielen. Denn je leistungsfähiger eine Technologie ist, desto schneller verschwindet sie aus dem gemessenen BIP, aber uns geht es besser“, hofft Turner.