Geldpolitik

Lagarde betont volle Flexibilität der EZB

Aktuell herrscht großes Rätselraten über den weiteren Zinskurs der EZB. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont angesichts von Inflation und Bankenkrise die Offenheit der EZB. Weitere Zinserhöhungen könnten aber folgen.

Lagarde betont volle Flexibilität der EZB

ms Frankfurt

Im Dilemma zwischen zu hoher Inflation und Bankenbeben hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde die komplette Offenheit der Europäischen Zentralbank (EZB) hinsichtlich des weiteren Zinskurses betont. Für den Fall, dass sich die Unruhe bei den Banken und an den Finanzmärkten legt und sich die Wirtschaft wie erwartet entwickelt, stellte sie am Mittwoch aber erneut weitere Zinserhöhungen in Aussicht. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte, dass eine Bankenkrise inzwischen unwahrscheinlich sei.

Zum Auftakt der ECB Watchers Conference am Mittwoch in Frankfurt hob Lagarde die weiter hohe Inflation, aber auch die aktuell erhöhte Unsicherheit hervor. Diese Unsicherheit „bedeutet zuallererst, dass wir nicht darauf festgelegt sind, die Zinsen weiter anzuheben, und dass wir auch nicht am Ende der Zinserhöhungen angelangt sind“. Alles sei nun von den weiteren Daten abhängig.

Die EZB hatte vergangene Woche trotz der Sorge vor einer neuen Finanzkrise ihre Leitzinsen wie zuvor avisiert erneut um 50 Basispunkte angehoben. Zugleich hielt sie sich aber zum weiteren Kurs sehr bedeckt und strich die Forward Guidance, mit der sie nach den vorherigen Zinserhöhungen stets weitere Schritte in Aussicht gestellt hatte. Lagarde sagte bereits da, dass weitere Zinserhöhungen möglich seien, wenn sich die Finanzturbulenzen beruhigten. Über das Wochenende hatte sich dann die Krise bei der Schweizer Credit Suisse derart zugespitzt, dass sie in einer Notrettung von der UBS übernommen werden musste.

Nagel für weitere Zinsschritte

Nur einen Tag nach der jüngsten Zinsentscheidung hatte die Debatte unter den Notenbankern über den weiteren Zinskurs gleich wieder Fahrt aufgenommen. Dabei waren es zunächst vor allem die Hardliner im Rat, die „Falken“, die den Ton angaben und weitere, womöglich deutliche Zinsschritte signalisierten. Am Mittwoch, genau zur ECB Watchers Conference, sagte auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel in einem Interview der „Financial Times“, dass er keine Finanzkrise erwarte und deshalb von weiteren Zinsschritten der EZB ausgehe.

Lagarde sagte nun am Mittwoch, dass die Inflation im Euroraum trotz des jüngsten Rückgangs weiter hoch sei und sich der vergangene „Inflationsschock“ nun „durch die Wirtschaft fortsetzt“. Sie betonte dabei insbesondere, dass es noch keine klaren Signale gebe, dass der unterliegende Preisdruck ebenfalls zurückgehe. Die Gesamtinflation im Euroraum ist von 10,6% im Oktober auf 8,5% im Februar gesunken. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel ist indes zuletzt weiter auf ein absolutes Rekordhoch von 5,6% gestiegen. Sie gilt als besserer Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck in einer Volkswirtschaft.

„Unser oberstes Ziel in einem solchen Umfeld ist klar: Wir müssen die Inflation zeitnah zu unserem mittelfristigen Ziel zurückführen. Und das werden wir auch“, sagte Lagarde. Darauf könne die Öffentlichkeit zählen. In Bezug auf das Preisstabilitätsziel kenne die EZB „keine Kompromisse“. „Wenn sich das Basisszenario unserer jüngsten Projektionen bestätigen sollte, bleibt noch einiges zu tun, um sicherzugehen, dass wir den Inflationsdruck beseitigt haben“, sagte sie. Die Zinserhöhungen seit Juli 2022 begännen allmählich zu wirken.

Die EZB werde nun eine „solide Strategie“ verfolgen, die sich nach der Datenlage richte und die Bereitschaft zum Handeln verankere. Zugleich sagte Lagarde: „Wir leben in einer Welt, die sich schneller verändert, als wir es uns je hätten vorstellen können.“ Mit Blick auf die Unruhe an den Finanzmärkten erneuerte sie das Versprechen, dass die EZB notfalls eingreifen werde, um die Liquidität im Finanzsystem zu sichern. Die Kapital- und Liquiditätsposition der Euro-Banken sei aber robust, so die EZB-Präsidentin.

EZB-Chefvolkswirt Lane sagte bei der ECB Watchers Conference, dass sich die jüngsten Bankenturbulenzen in konjunktureller Hinsicht womöglich als ein zu vernachlässigendes Ereignis herausstellen könnten. Eine ausgemachte Krise, aufgrund der der konjunkturelle Ausblick komplett umzuschreiben wäre, sei inzwischen unwahrscheinlich, so Lane.

Die EZB scheint bislang darauf zu setzen, dass die Bankenturbulenzen nicht in großem Umfang auf die Euro-Banken übergreifen und sich auch die globale Unruhe absehbar legt. In dem Fall erwartet sie auch keine großen makroökonomischen Folgen. Deshalb fährt sie zweigleisig: Einerseits erhöht sie ihre Leitzinsen weiter, um die Inflation zu senken. Andererseits betont sie ihre Bereitschaft, im Fall der Fälle einzugreifen.

EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta sagte bei der Konferenz, dass die EZB-Politik „angesichts der vorherrschenden Unsicherheit und der bereits erfolgten Straffung unserer Politik voll und ganz von den Daten abhängig bleiben“ müsse. Die EZB dürfe sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Kurs festlegen.

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