Geldpolitik

Lagarde untermauert EZB-Entschlos­senheit

Nach einigem Zögern hat die EZB die Kehrtwende eingeleitet und die Zinsen zuletzt deutlich erhöht. Wegen der zunehmenden Rezessionssorgen ist das aber umstritten. EZB-Chefin Christine Lagarde hält dagegen.

Lagarde untermauert EZB-Entschlos­senheit

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Entschlossenheit der Notenbank zu weiteren Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation untermauert – selbst wenn das zu Lasten der Wirtschaft gehen sollte. Das Wichtigste und „unbedingt“ nötig sei es jetzt, Zweitrundeneffekte der hohen Inflation etwa auf die Löhne zu verhindern, sagte Lagarde am Freitag in Paris. Das Risiko, dass weitere Zinsanhebungen das Wachstum dämpften, müsse die EZB „eingehen“, so Lagarde.

Mit ihren Aussagen gibt Lagarde der Preisstabilität Vorrang vor dem Wachstum. Nachdem die EZB die In­flation lange unterschätzt und sogar kleingeredet hatte, hat sie in­zwischen die Zinswende eingeleitet und ihre Leitzinsen zweimal deutlich angehoben. Hintergrund ist die re­kordhohe Inflation von 9,1% im August. Zugleich nehmen aber die Sorgen vor einer Rezession im Euroraum vor allem infolge des Ukraine-Kriegs zu. Deswegen gibt es auch Kritik an der EZB-Kehrtwende sowie Warnungen vor allzu starken Zinserhöhungen – Letzteres auch aus der EZB selbst.

Zinskurs umstritten

In der vergangenen Woche hatte die EZB ihre Leitzinsen um 75 Basispunkte und damit so stark wie noch nie seit Einführung des Euro angehoben. Der Refinanzierungssatz liegt nun bei 1,25%, der Einlagensatz bei 0,75%. Zusammen mit der ersten Zinserhöhung im Juli sind die Leitzinsen damit binnen kurzer Zeit um 125 Basispunkte gestiegen. Im internationalen Vergleich hinkt die EZB damit aber noch immer hinterher, vor allem hinter der US-Notenbank. Die Fed dürfte ihren Leitzins nächste Woche erneut kräftig anheben, wohl um 75 Basispunkte. Seit März wären es dann 300 Basispunkte.

„Wir haben mehr Angebotsschock als Nachfrageschock, aber wir haben beides, also sind wir verpflichtet, unter Berücksichtigung dieser komplizierten Mischung aus Angebot und Nachfrage zu handeln“, sagte La­garde nun am Freitag. „Als Zentralbank müssen wir uns auf unser Preisstabilitätsziel konzentrieren, das wir auf 2% in mittlerer Sicht festgelegt haben“, sagte sie. „Wir müssen also alle uns zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente einsetzen, um dieses Ziel zu erreichen.“ Dazu gehöre, unter allen Umständen Zweitrundeneffekte zu vermeiden. Die EZB müsse reagieren. „Wird das das Wachstum dämpfen?“, fragte sie. „Das ist möglich, aber das Risiko müssen wir eingehen“, erläuterte sie.

Unter den Euro-Notenbankern ist umstritten, wie schnell und wie stark die Leitzinsen nun steigen sollten. Während Hardliner („Falken“) wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel für weitere kräftige Anhebungen plädieren, argumentierte Portugals Notenbankchef Mario Centeno, eine „Taube“, am Donnerstag für eine Zinspolitik der Trippelschritte. „Geldpolitik muss vorhersehbar bleiben und in so kleinen Schritten wie möglich handeln“, sagte er. Selbst bei großen Schocks und hohen Inflationsraten könne eine Geldpolitik der allmählichen Normalisierung im Einklang stehen mit dem Ziel, die Inflation zurück zur Zielmarke zu bringen.

Ebenfalls umstritten ist der mögliche Höchststand im Zinszyklus. Laut EZB-Vize Luis de Guindos lässt die Notenbank die Frage bislang offen. „Innerhalb des EZB-Rats haben wir keine Schätzungen zum Endzins, dem Höchstniveau, auf das die Zinsen steigen könnten“, sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview der portugiesischen Wochenzeitung „Expresso“. Das gelte auch für den neutralen Zinssatz, also den Zinssatz, der die Wirtschaft bei Vollbeschäftigung mit stabiler Inflation ins Gleichgewicht bringt (siehe Text unten auf dieser Seite).

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