Panel in Jackson Hole

Lage am Arbeitsmarkt stellt Westen vor Probleme

Auf der Konferenz in Jackson Hole diskutierten die Notenbanker über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Der demografische Wandel erschwert auch die Geldpolitik.

Lage am Arbeitsmarkt stellt Westen vor Probleme

Lage am Arbeitsmarkt stellt Westen vor Probleme

Lagarde: Migration alleine kann Herausforderungen nicht lösen – Britischer Notenbankchef beklagt zu geringe Produktivität

mpi Frankfurt

Der Arbeitsmarkt in Europa hat den straffsten Zinserhöhungszyklus in der Geschichte der EZB nach Einschätzung von Notenbankpräsidentin Christine Lagarde überraschend gut überstanden. „Die Inflation ist stark zurückgegangen, und zwar zu bemerkenswert geringen Kosten für die Beschäftigung“, sagte sie am Wochenende auf der Notenbankkonferenz in Jackson Hole. Gemeinsam mit Andrew Bailey und Kazuo Ueda, ihren Amtskollegen in Großbritannien und Japan, sprach sie auf einem Panel über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt.

Als Gründe für die Resilienz führte Lagarde eine Reihe an Faktoren an. So fiel die Straffung der Geldpolitik in der Eurozone mit einem Rückgang der pandemiebedingten Angebotsengpässe, sinkenden Energiepreisen und einer proaktiven Fiskalpolitik zusammen. Zudem ist die Partizipationsquote von Frauen und Älteren in der Eurozone gestiegen.

Ob der Arbeitsmarkt den nächsten wirtschaftlichen Schock jedoch genauso so gut wegstecken wird, sei unsicher. „Wir sollten jedoch vorsichtig sein, wenn wir davon ausgehen, dass diese einzigartige Kräftekonstellation von Dauer sein wird.“

Europa braucht Migration

In ihren Erläuterungen ging die Französin auch darauf ein, welchen Beitrag Migration zuletzt am Wirtschaftswachstum hatte. So profitiere vor allem Deutschland am Zuzug von Ausländern. Ohne diese Migration wäre das BIP hierzulande aktuell 6% niedriger als es 2019 gewesen ist. Auch Spaniens zuletzt überdurchschnittlich hohes Wirtschaftswachstum beruhe zu wesentlichen Anteilen auf Migration.

Doch Migration alleine könne den Arbeitskräftemangel in Europa nicht beseitigen, so Lagarde. In allen plausiblen Szenarien – selbst bei hoher Migration – werde die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Euroraum weiter schrumpfen. Zudem sei nicht gewährleistet, dass die Qualifikationen der Einwanderer zu den offenen Stellen passen. Der zunehmende Einsatz von KI und ganz allgemein Automatisierung könnte den Arbeitskräftemangel laut Lagarde lindern und die Produktivität erhöhen.

„Traurige Geschichte“

Der britische Notenbankchef Bailey blickt durchaus mit Sorge auf den Arbeitsmarkt in seinem Land. Eine Kombination aus schwacher Produktivität und geringer Partizipationsrate habe das Vereinigte Königreich vor die „akute Herausforderung gestellt, die potenzielle Wachstumsrate zu steigern“, sagte Bailey in Jackson Hole. „Das ist eine ziemlich traurige Geschichte für das Vereinigte Königreich.“

Derzeit geht die Bank of England von einer historisch niedrigen Potenzialwachstum von rund 1% aus. „Dies ist offensichtlich ein sehr schwieriger Kontext für die Umsetzung geldpolitischer Maßnahmen, wenn die potenzielle Wachstumsrate so viel niedriger ist als in der Vergangenheit“, sagte Bailey. Bei niedrigem Wirtschaftswachstum ist die Inflation insgesamt volatiler.

Auch in Großbritannien ist die Arbeitslosigkeit durch die geldpolitische Straffung nicht gestiegen. Bailey führt dies auf ein geringeres Arbeitskräfteangebot zurück. „Das hat zu einem Risiko einer anhaltenden Inflation geführt, auf das wir reagieren müssen – einer der Hauptgründe, warum wir unsere Geldpolitik restriktiv halten mussten“, sagte er. Derzeit beobachte die Bank of England einen Rückgang bei der Nachfrage von Unternehmen nach Arbeitskräften.

Wenig festangestellte Frauen in Japan

Traditionell eher skeptisch steht Japan dem Thema Migration gegenüber. Nur 3% der Arbeitskräfte kommen aktuell aus dem Ausland. Allerdings ist das Land inzwischen auf Migration dringend angewiesen, um den Arbeitskräftemangel zu lindern. Über die Hälfte der zwischen 2023 und 2024 neu entstandenen Stellen wurden mit ausländischen Arbeitskräften besetzt. Stärker auf Migration am Arbeitsmarkt zu setzen, bräuchte laut Ueda zuvor eine gesellschaftliche Diskussion, ob dies erwünscht sei.

Andere Stellschrauben sind für den Notenbankchef die Partizipationsraten von Frauen und Älteren. „Derzeit sind nur etwa 50% der Arbeitnehmerinnen fest angestellt, gegenüber etwa 80% bei den Männern.“ Ein Grund hierfür sind fehlende Betreuungsmöglichkeit für Kinder.